Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Als am Donnerstag Mario Draghi die neuerliche Senkung des Zinssatzes der Europäischen Zentralbank verkündete, gaben die Aktienkurse leicht nach, der Euro stieg - vorerst zumindest.
Nach dem herkömmlichen Handbuch für Wirtschaftswissenschaften hätte das genaue Gegenteil eintreten müssen: Steigende Börsen, weil Sparen angesichts eines Zinssatzes, der von der Inflation mehr als aufgefressen wird, noch unattraktiver geworden ist; und ein sinkender Eurokurs, da das Übermaß an billigem Geld Europas Währung doch schwächen sollte.
Aber Real- und Finanzwirtschaft halten sich nicht mehr an einst in Stein gehauene Zusammenhänge. Tatsächlich fielen die Kurse, weil die Börsen die erwartete Zinssenkung zuvor eingepreist hatten; und der Euro stieg, weil Draghis Schritt die Refinanzierungssorgen etlicher Problemkinder erheblich milderte. Frankreich etwa, das in puncto Wettbewerbsfähigkeit bedrohlich hinter Deutschland zurückgefallen ist, refinanzierte sich so billig wie nie zuvor.
Zentraler Beweggrund für den Zinsschritt der EZB war jedoch der hartnäckig verhangene Konjunkturhimmel. Billiges Geld, so lehren es die Lehrbücher, regt Investitionen an und sorgt für Wachstum. Und Wachstum, das zeigt ein Blick auf Arbeitslosenstatistiken und Schuldenstände, benötigt Europa mehr als alles andere.
Doch die triste Realität zeigt: Noch wichtiger als billiges Geld ist Zuversicht in die Zukunft. Solcher Optimismus lässt sich zwar durch gezielte Maßnahmen durchaus fördern und fordern, nur erkaufen lässt er sich nicht.
Schon ist die Rede davon, dass der EZB die Mittel im Kampf gegen das Konjunkturtief ausgehen. Viel billiger kann Geld nicht mehr werden. Allerdings hat Draghi bereits andere, unkonventionellere Ideen angedeutet, nicht nur zwischen den Zeilen, sondern expressis verbis. Vorstellbar etwa sei, die Banken durch eine Strafgebühr davon abzuhalten, das billige EZB-Geld nicht wiederum bei der EZB zu parken, sondern als Kredite in die Realwirtschaft zu pumpen. Daraufhin hat der Euro an wert eingebüßt.
Andeuten, locken und - wenn denn gar nichts anders mehr hilft - drohen: Draghi muss hoffen, dass die Banken diesen Wink rechtzeitig aufnehmen und entsprechend handeln. Die reale Tat verpufft zusehends, Wirkung zeigt nur noch die Zukunftserwartung. Das Spiel wird surrealer als es ohnehin schon ist.