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Das Sprachrohr der Latinos in den USA

Von Alexander U. Mathé

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Jorge Ramos gilt als einer der einflussreichsten Meinungsmacher.


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Jorge Ramos ist ein Mann, der viele Fragen hat. Das bringt der Beruf des mexikanisch-stämmigen US-Amerikaners so mit sich: Er ist der Starmoderator des spanischsprachigen Senders Univision - dem fünftgrößten des Landes. Doch einem gefielen Ramos’ Fragen ganz und gar nicht - dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. "Setzen! Geh zurück zu Univision!", herrschte der Milliardär Ramos an, der bei einer Pressekonferenz Näheres zum Thema Immigrationspolitik wissen wollte, bevor der Journalist auf einen Wink hin von einem Wachmann aus dem Saal gedrängt wurde. Als er das Gros der Mexikaner in den USA als Drogendealer und Vergewaltiger abqualifizierte, machte sich Trump bei dieser Immigrantengruppe schon unbeliebt, doch als er Ramos wie einen Schulbuben abkanzelte, hat er im gleichen Moment wohl auch fast alle Latino-Wähler abschreiben können. Denn der 57-jährige Journalist ist nicht irgendwer, sondern einer der Top-Meinungsmacher des Landes. Das "Time"-Magazin gab ihn auf das Cover der Ausgabe, in der er unter die 100 einflussreichsten Personen des Jahres 2015 gewählt wurde. Acht Mal hat Ramos bereits einen Emmy gewonnen - den bedeutendsten Fernsehpreis der USA - sowie den Moors-Cabot-Preis für herausragenden Journalismus. Die großen Staatenlenker des amerikanischen Kontinents standen ihm bereits in Interviews Rede und Antwort: Fidel Castro, Bill Clinton, George W. Bush, Evo Morales, Hugo Chávez, Rafael Correa und Barack Obama. Es sich mit Ramos und den Latinos zu verscherzen, ist also nicht die beste Strategie für einen Präsidentschaftskandidaten, zumal einen republikanischen. Denn das letzte Mal, dass ein Republikaner US-Präsident wurde, hatte er das den Einwanderern aus dem Süden zu verdanken, erklärte Ramos gegenüber der "Wiener Zeitung": "Bush hat nur durch die Stimmen der Latinos gewonnen." Die kann Trump nun wohl endgültig abschreiben. Auch wenn er Ramos nach Protesten der anderen Journalisten wieder in den Saal holen ließ und einige seiner Fragen beantwortete, die teils schon anekdotische Züge hatten. So fragte Ramos, wie er die von ihm angekündigte, mehr als 1200 Kilometer lange Mauer entlang der Grenze zu Mexiko zu bauen gedenke. "Das ist ganz einfach, ich bin Bauherr... Es ist schwerer, ein 95-stöckiges Haus zu bauen." Ramos wiederum konterte, dass 40 Prozent der illegalen Immigranten mit dem Flugzeug in die USA kämen und dann einfach blieben, obwohl ihr Visum bereits abgelaufen sei. Das wiederum wurde von Trump bezweifelt. Doch auch wenn der Tycoon nicht Präsident werden sollte, so hat Ramos doch generell Vorbehalte bei US-Präsidenten, die für ihn am "Christoph-Kolumbus-Syndrom" leiden: "Sie entdecken die Latinos während des Präsidentschaftswahlkampfs und dann vergessen Sie sie wieder."