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Die Corona-Krise zeigt, wie mehr oder weniger subtil ältere Menschen aus dem Arbeitsprozess verdrängt werden.
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Werden ältere Menschen in Zeiten von Krisen am Arbeitsmarkt wieder zurückgedrängt und in die Pension geschickt? Ist dies ein Luxusproblem in einer Zeit der Orientierungslosigkeit? Gibt es nicht Wichtigeres? Sicherlich, die Auswirkungen von Corona auf unsere Kinder müssen im Fokus stehen. Zu viel steht auf dem Spiel.
Aber die Problematik der älteren Generation kann nicht ausgespart werden. Die Frage, wie die Pflege der Babyboomer-Generation gelöst werden kann, wird sich immer stärker stellen. Wo und wann beginnen? Wo sollten Weichen für ein längeres gesundes Altern gestellt werden, mit dem Ziel, Pflegekosten zu reduzieren? Wie der Übergang in die Pension verläuft, kann als Angelpunkt zwischen Gesundheit und Krankheit gesehen werden. Verläuft er krisenhaft, steigen die Gesundheitskosten. Es ergeben sich somit mehrere aktuelle Fragen.
Die Generation der Babyboomer geht in Pension oder ist kürzlich in Pension gegangen worden. Dieses Ereignis kann der Beginn eines stillen Leidens werden. Ein Abschied aus dem Berufsleben bedeutet oft, dass sie den Gefühlen wie Angst, Wertlosigkeit, Einsamkeit, ausgesetzt sind. Gefühle, die so nicht benannt werden wollen, die aber krank und depressiv machen. Ängste werden verdrängt und finden Ausdruck in psychosomatischen Krankheiten.
Arztbesuche häufen sich nach der Beendigung der Erwerbstätigkeit. Neueste Demenzstudien zeigen die Häufung von Demenzkranken in den nächsten Jahren. Nicht nur aktive körperliche und soziale Aktivitäten, sondern auch der Mut und die Freude zum Weiterlernen beeinflussen das Auftreten von Demenz. Die Beachtung des Übergangs in die Pension sollte als Gesundheitsprävention ins öffentliche Blickfeld treten. Auch wenn das stille Leiden individuell und gesellschaftlich nicht sichtbar und benannt werden kann, ist es der Beginn von psychischen und physischen Erkrankungen im Alter.
Kein Ziel, sondern Anfang einer neuen Lebensphase
Die Corona-Krise zeigt - natürlich unter dem Deckmantel, dass die Pension das erklärte Ziel im Leben sei -, wie mehr oder weniger subtil ältere Menschen aus dem Arbeitsprozess verdrängt werden. Das erklärte Ziel Pension, das lange Jahre erstrebenswert war, wird immer mehr infrage gestellt. Doch die Pension ist kein Ziel, sondern der Anfang einer neuen Lebensphase, des Third Age. Denn demografischen Befunden zufolge sind noch rund 20 Jahre gesunden Alterns möglich.
Dies bedeutet, den Einstieg in die Pension nicht nur aus der ökonomischen Perspektive zu sehen und gesellschaftlich über die Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters zu diskutieren. Es müssen auch die psychosozialen Aspekte stärker in den Fokus des öffentlichen Diskurses treten: Welche Risikofaktoren, welche Resilienzfaktoren bestimmen beim Eintritt in die Pension gesundes Altern?
Der Risikofaktor Altersdiskriminierung wird in der Pandemie besonders sichtbar. Das Narrativ: Wer zahlt die Pensionen? Menschen in der dritten Lebensphase nehmen den Jungen die Arbeitsplätze weg, Pensionisten sind ein Kostenfaktor in unserer Gesellschaft, der die Jungen zu sehr belasten wird. Dieser Denkansatz kann die Gesellschaft noch mehr spalten. In Sonntagsreden betonen Wirtschaft und Politik, wie wichtig es ist, länger zu arbeiten. Das Ziel ist, das Pensionsantrittsalter anzuheben. Ältere sollen länger arbeiten - aber sie sollen auch Platz machen. Eine Ambivalenz, die schwer aufzulösen ist. Hier bedarf es eines Umdenkens seitens der Wirtschaft, der Gesundheitspolitik, der Gesellschaft, aber auch der Betroffenen selbst. Dies scheint derzeit in weite Ferne gerückt.
Mitgestaltung einer lebenswerten Zukunft
Doch es ist auch die Aufgabe der Babyboomer Generation, Eigenverantwortung zu übernehmen. Das Thema Pension ist vielfältig. Dies bedeutet, einen neuen Blick auf das eigene Leben zu werfen, gesundheitsschädigende Verhaltensweisen und Strategien zu erkennen und zu ändern, differenzierte Altersbilder zu entwerfen und zu leben. Es bedeutet, sich nicht nur auf die gesellschaftliche Partizipation zu fokussieren, sondern auch die Mitgestaltung einer lebenswerten Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder.
Ein Schritt ist die gesellschaftliche und die individuelle Sensibilisierung für den krisenhaften Übergang in die Pension, denn der kann als Angelpunkt für gesundes Altern gesehen werden. Gesundheitsprävention für die Lebensphase Alter bedeutet für die Gesundheitspolitik, Rahmenbedingungen zu schaffen und spezielle psychosoziale, therapeutische Hilfsgebote bereitzustellen.
Aber es besteht auch eine Holschuld der älteren Generation, in der Zeit des Übergangs Hilfsangebote anzunehmen. Glaubenssätze der Generation Babyboomer wie "Wir sind unsere eigenen Krisenmanager", "Wer nicht arbeitet, ist weniger wert" oder "Wir kennen die Probleme nicht" sind zu hinterfragen. Ihre Gültigkeit kann auch ein Ablaufdatum haben. Dazu braucht es eine Sensibilisierung für die Problematik des Übergangs in die Pension. Denn es darf nicht sein, dass, wenn die Bürotür für immer zugefallen ist, die Arzttür ständig aufgeht.