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Das tägliche Risiko

Von Veronika Eschbacher

Politik

Guter Verdienst und Abenteuerlust ziehen Soldaten ins Ausland.


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Die Moral der Truppe am Golan sei trotz der Gefahr gut, heißt es aus dem Verteidigungsministerium.
© Bundesheer/UN/Wolfgang Grebien

Wien. Mittlerweile ist die Front im syrischen Bürgerkrieg in das Einsatzgebiet der österreichischen Soldaten gerückt: Am Golan kommt es ständig zu Gefechten zwischen eingesickerten Rebellen und Regierungstruppen. Der Einsatz ist ein tägliches Risiko. Als neutrale UN-Beobachter dürfen die österreichischen Soldaten ihre Waffen nur zur Selbstverteidigung gebrauchen. Das heißt gleichzeitig, dass sie die Zivilbevölkerung nicht schützen dürfen.

Der Golan ist aber nicht der einzige Einsatzort des österreichischen Bundesheeres. Vom Kosovo bis hin zur jüngsten Mission im afrikanischen Mali rotieren etwa 4000 österreichische Soldaten pro Jahr ins Ausland und wieder zurück. Gut 1300 sind länger auf den insgesamt 14 internationalen Friedensmissionen im Einsatz.

Die Beweggründe für einen Auslandseinsatz sind vielfältig. Für manche ist es Abenteuerlust, für nicht wenige ist es der Verdienst, der - je nach Dienstgrad und Gefahrenlage - zwischen 3000 und 8000 Euro monatlich netto liegt. Der Auslandseinsatz ist daher nicht nur für Berufssoldaten von Interesse. Im Schnitt machen gut 50 Prozent der Entsandten bei Auslandseinsätzen Milizsoldaten aus. Das sind Personen, die militärisch geschult sind, aber eigentlich einen zivilen Beruf ausüben und dadurch zusätzliches Fachwissen mitbringen. Den Zivilberuf lassen sie während des Auslandseinsatzes ruhen.

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Je neuer und gefährlicher ein Einsatz, desto größer ist der Anteil an Berufssoldaten. Der im März gestartete Einsatz in Mali - acht österreichische Soldaten sind im Rahmen der EU-Ausbildermission dort stationiert - erfolgt zunächst ausschließlich durch Soldaten des Jagdkommandos.

"Wir wollen unser Wissen und Können in einem neuen Umfeld umsetzen", erklärt einer der Jagdkommandosoldaten des Mali-Kontingents im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Besorgt über mögliche Sicherheitsprobleme vor Ort sind die Soldaten, die zumal als "Trainingsweltmeister" verspottet werden, nicht. "Das Gefahrenmoment ist ein kalkulierbares", sagen sie kühl. Zudem sei der Verband, dem sie angehören, genau für solche Einsätze geschaffen und sie seien dafür ausgebildet. "Wir sind alle Profis. Und wir fahren freiwillig hin."

Grundsätzlich erfolgen Meldungen zu Auslandseinsätzen auf freiwilliger Basis. Seit einer Änderung des Beamtendienstrechts ist aber bei einer Übernahme in ein definitives Dienstverhältnis - also bei einer Pragmatisierung - ein Auslandseinsatz etwa für Unteroffiziere und Offiziere verpflichtend vorgesehen. Wann und wohin, entscheidet der Soldat jedoch selbst, so das Verteidigungsministerium.

Zusatzausbildungen vor Einsatz verpflichtend

Vor der Entlassung in einen Auslandseinsatz absolviert jeder Soldat eine mehrwöchige Einsatzvorbereitung. Das Mali-Kontingent etwa erhielt Schulungen zur Erhöhung der interkulturellen Kompetenz und absolvierte ein sogenanntes "Force Integration Training". Dabei werden die Soldaten mit den Gerätschaften eines anderen, auch an der Mission beteiligten Landes vertraut gemacht. Vergleichbare Ausbildungen gibt es für den Kosovo und die Golan-Höhen. Daneben dienen auch klassische Gefechtsübungen mit internationaler Beteiligung wie die "Capricorn" oder "Viking" einer Einsatzvorbereitung.

Die Länge eines Auslandseinsatzes variiert je nach Einsatzort. In der Regel sind es am Golan zwölf Monate, im Kosovo oder in Bosnien sechs Monate. In Mali bleiben die Soldaten vier Monate im Feldspital, sechs Monate in der Verwaltung in der Hauptstadt Bamako.

Manche Einsätze sind auch viel länger. Im Kosovo etwa lebte ein Kraftfahrer über Jahre im Camp Casablanca. Eine so lange Einsatzdauer kann aber für Milizsoldaten zum Problem werden. Die Reintegration in den österreichischen Arbeitsmarkt erweist sich dann oft als schwierig, Bindungen in der Heimat fallen immer mehr weg. Für die Familien der sich im Einsatz befindlichen Soldaten gibt es spezielle Betreuungsangebote. Alle zwei Monate werden Familientage für die Angehörigen durchgeführt. Eine Familienhotline hilft in dringenden Fällen auch bei der Herstellung eines Kontaktes in ein Einsatzgebiet.

Österreichische Soldaten geraten auch in Konflikt- und Stresssituationen. Der anspruchsvollste Einsatzort ist aktuell wegen der Gefechte zwischen syrischer Armee und Rebellen der Einsatz am Golan. Im November vorigen Jahres gerieten Soldaten am Weg von den Golan-Höhen zum Flughafen in Damaskus unter Beschuss, vier wurden dabei verletzt.

Jedem Soldaten steht eine umfangreiche psychologische Betreuung zur Verfügung, erklärt das Verteidigungsministerium. Es gäbe aber zurzeit keinen Fall eines Soldaten mit post-traumatischer Belastungsstörung.