Anlage auf der Südhalbkugel soll bis zum Urknall zurücklauschen.
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Wien. In die Sterne zu schauen ist die Vergangenheit zu betrachten. Was wir von der Erde aus sehen, ist ihr Licht im luftleeren Raum. Zwar legen Lichtwellen im All innerhalb eines Jahres unvorstellbare 9,5 Billionen Kilometer zurück. Da jedoch allein der Durchmesser der Milchstraße 100.000 Lichtjahre beträgt, kann es durchaus sein, dass ein Stern, den wir mit einem Teleskop am anderen Ende unserer Galaxie erspähen, zum Zeitpunkt unserer Beobachtung bereits erloschen ist. Die geplante größte Teleskopanlage der Welt soll nun bis zum Urknall zurücklauschen - und somit Spuren eines Ereignisses, das vor 13,7 Milliarden Jahren stattgefunden hat, greifbar machen. Allerdings sucht sie nicht nach Licht-, sondern nach unsichtbaren elektromagnetischen Wellen.
Das Radioteleskop SKA soll 100 Mal so leistungsstark werden wie alle derzeitigen Teleskope. SKA steht für "Square Kilometre Array" (Quadratkilometer-Feld). Ein gewaltiges Netz von 1500 Einzelteleskopen mit einem Durchmesser von rund 15 Kilometern soll auf einem Hektar Land gebaut und mit weiteren 1500 Empfängern, die in Spiralenarmen über die Fläche eines Kontinents angeordnet sind, verbunden werden. Die Anlage im Wert von 1,5 Milliarden Euro, die 2016 in Bau gehen und 2024 in Betrieb genommen werden könnte, soll das größte und sensitivste Radio-Observatorium der Welt werden. Astronomen und Ingenieure aus 70 Forschungsinstituten in 20 Ländern konstruieren es, Rechnerzentren weltweit sollen die Daten auswerten.
Radioteleskope spüren elektromagnetische Wellen aus dem All auf. Zwar ließen sich mit heutigen optischen Teleskopen sogar Wohnhäuser auf anderen Planeten erkennen. Doch um zu arbeiten, benötigen sie Licht - in der Dunkelheit sind sie blind. Radioteleskope empfangen elektromagnetische Wellen, die langsamer schwingen als Lichtwellen. Sie nehmen Objekte, Aktivitäten und Energien wahr, die optischen Instrumenten verborgen bleiben, können kosmische Wolken durchdringen und sogar Gasschwaden aus der Zeit vor der Geburt der allerersten Sterne aufspüren.
Sind wir alleine oder nicht?
Wie entstehen Galaxien und was genau ist dunkle Energie? Sind wir die einzigen intelligenten Lebewesen? Wie bildeten sich die ersten Schwarzen Löcher und Sterne? Woher kommen die gigantischen Magnetfelder im All?
"Die Ausdehnung des Universums seit dem Urknall wird einer mysteriösen dunklen Energie zugeschrieben. Weil es die Verteilung von Wasserstoff im Universum kartieren kann, wird das neue Teleskop junge Galaxien ausmachen und neue Erkenntnisse über die dunkle Energie gewinnen können", erklärt Jo Bowler vom SKA-Entwicklungszentrum an der Universität Manchester in Großbritannien. SKA könne zudem selbst schwache außerirdische Signale auffangen, diese exakt lokalisieren und nach komplexen Molekülen suchen, die die Grundbausteine für Leben sind. Das Teleskop soll zurücklauschen in ein Zeitalter des Universums, in dem noch kein Licht existierte.
Heute und hier tobt allerdings ein Politikum um den geplanten Standort. Ursprünglich wollten die SKA-Mitgliedstaaten, darunter die Niederlande, Italien, Großbritannien und China, bis Februar des Vorjahres entschieden haben, ob das Radio-Observatorium in der Karoo-Halbwüste im Herzen Südafrikas oder aber im westaustralischen Shire of Murchison, zwei Flugstunden entfernt von der Stadt Perth, stehen soll. Doch es mussten erst Minister beider Länder durch die Welt reisen, um die Vorzüge ihrer Gebiete anzupreisen und Unterstützung zu gewinnen. Nun soll die Entscheidung im April fallen.
Utopien der Technik
Wissenschaftlich gelten beide Standorte als gleichwertig, am Südhimmel steht das Zentrum der Milchstraße. Australien verweist auf Erfahrung: Das "Parkes"-Teleskop westlich von Sydney hatte es bereits 1969 ermöglicht, die Mondlandung weltweit im Fernsehen zu verfolgen. Zudem zählt das Shire of Murchison nur 120 Einwohner, das Radio-Observatorium wäre also nicht vom Gefunke der Zivilisation gestört. In Afrika hat die drahtlose Kommunikation hingegen Hochkonjunktur, was den Forschern Sorgen bereitet. Jedoch würde der Zuschlag für das gigantische Forschungsprojekt dem Land am Kap der Guten Hoffnung einen enormen Auftrieb geben.
Auf seiner Homepage vermerkt das SKA-Entwicklungszentrum, dass die Computer, die für die Zusammenschaltung tausender Radioantennen nötig wären, noch nicht existieren. Sie würden mehr Bitmassen verarbeiten als der weltweite Internetverkehr heute - SKA setzt eine ungebremste Leistungssteigerung der Computertechnologie voraus. Dagegen nimmt sich die Tatsache, dass das gesamte Glasfasernetz für die Teleskopanlage erst gelegt werden muss, fast wie ein Spaziergang aus.