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Das Theater und seine Grenzen

Von Bernhard Baumgartner

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Zwei Theaterstücke sorgen derzeit in unserem nördlichen Nachbarland für Aufregung. Die Themen könnten zwar kaum unterschiedlich sein, dennoch lässt sich ein roter Faden ziehen. Es geht um Systemkritik im weitesten Sinne. Zum einen wäre da "Demenz, Depression und Revolution" am Berliner Maxim

Gorki Theater. Das Stück lehnt sich an den Selbstmord des 2009 verstorbenen deutschen Fußball-Nationaltormanns Robert Enke, der eine schwere Depression nicht überlebte. Die Witwe geht mittlerweile gegen das Theater vor, da sie nicht will, dass ihre Familientragödie auf der Bühne verhandelt wird.

Das ist freilich verständlich, allerdings ist das genau das, was Theater immer tut - und zwar seit der Antike. Es stellt menschliche Tragödien auf die Bühne - ob diese nun lose oder exakt an reale Vorbilder angelehnt sind, ist dabei weniger relevant, als dass man die Prozesse, die dazu geführt haben, darstellt.

Eine Tragödie von noch wesentlich breiterem Ausmaß verhandelt "Das Himbeerreich" in Stuttgart (Uraufführung: 11. Jänner). Fast zwei Dutzend Top-Banker hat der Regisseur und Filmemacher Andres Veiel getroffen und sich von ihnen in die dunklen Geheimnisse der Finanzbranche einweihen lassen. Das Ergebnis stellt offenbar alles in den Schatten, was man sich in den kühnsten Träumen vorstellt. Veiel geht es nicht darum, die Gier als Triebfeder zu entlarven, sondern das System zu verstehen und den Mechanismus zu finden, der dieses System antreibt. Klar, dass die Vorbilder anonym bleiben wollen. Dieser Luxus wird Robert Enke leider nicht mehr zuteil.