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"Das Thema hat Sprengkraft"

Von Brigitte Pechar

Politik

"Juristisch ist dagegen nichts einzuwenden", beurteilt der Verfassungsrechtler Heinz Mayer den Text des Volksbegehrens "Sozialstaat Österreich" im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Damit sei allerdings eine erhebliche Gestaltungsmacht des Verfassungsgerichtshofes verbunden, weil dieser "die relativ vagen Begriffe mit seiner Judikatur ausfüllen muss", gibt Mayer zu bedenken. Er sieht aber bereits durch die Kampagnisierung dieses Themas eine gewisse Sprengkraft.


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Zu hinterfragen für den VfGH sei dann, was ist "soziale Sicherheit" oder was heißt "Absicherung im Fall von Krankheit, Unfall, Alter, Arbeitslosigkeit und Armut", sagt Mayer wiewohl er darauf verweist, dass es sehr viel unpräzisere Verfassungsbestimmungen gebe - so etwa den Gleichbehandlungsgrundsatz. "Im Vergleich dazu ist die von den Volksbegehren-Proponenten vorgeschlagene Form durchaus präzise, aber man soll diesen Aspekt nicht ganz vergessen", betonte der Verfassungsexperte. Juristisch jedenfalls sei gegen die Formulierungen nichts einzuwenden.

Ausgedrückt werde, dass man eine stärkere Bindung des Gesetzgebers an den Sozialbereich wünsche. Das sei für den einzelnen zwar nicht einklagbar, man enge dadurch aber den Spielraum des Gesetzgebers ein. Der VfGH hätte dann zu prüfen, ob der einfache Gesetzgeber diesem Verfassungsgrundsatz gerecht wird oder nicht.

Die Umsetzung dieses Volksbegehrens bedarf ja, da es sich um eine Verfassungsbestimmung handelt, einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat.

"Dass die Regierung dieses Gesetz gemeinsam mit der SPÖ beschließen wird, halte ich für nicht realistisch", schätzt Mayer die Chancen auf Verankerung des Sozialstaates in der Verfassung für sehr gering ein. Man dürfe aber die politische Wirkung nicht übersehen. Eine große Unterstützung könnte von der Regierung durchaus als Zeichen verstanden werden, bei der Sozialgesetzgebung mehr Zurückhaltung zu üben. "Es liegt somit eine gewisse Sprengkraft in diesem Volksbegehren."

Im übrigen muss ja über den Inhalt eines Volksbegehrens, das 100.000 Unterschriften erreicht, im Nationalrat eine Debatte abgehalten werden. Auch die Kampagne selbst erlaubt bereits, auf die parlamentarische Politik Druck auszuüben. Ein Beispiel dafür ist etwa das Frauenvolksbegehren, das im Jahr 1997 644.000 Menschen unterzeichnet haben.