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Das Thema Nr. 1 ist nur inoffiziell

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

EU-Länder wollen über eine neue Wirtschaftsstrategie für Europa beraten. | Gerüchte über Rettungsplan für Griechenland. | Brüssel/Wien. Prachtvoll soll der Rahmen für das Treffen sein. Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen Donnerstag zu einem informellen Gipfel nicht wie sonst im Justus-Lipsius-Ratsgebäude im Brüsseler EU-Viertel zusammen. Es sollte etwas Besonderes sein, dachte sich wohl EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.


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Und lud zum ersten Treffen seit seinem Amtsantritt in die Bibliothek Solvay. Das prunkvolle Jahrhundertwende-Gebäude wurde erst kürzlich renoviert. Und die Kraft der Erneuerung soll auch die europäische Wirtschaft verspüren.

Gar nicht prunkvoll ist allerdings jenes Thema, das wohl dominieren wird - obwohl es weder in Van Rompuys Einladungsschreiben an die Staatschefs noch offiziell auf der Tagesordnung erwähnt ist: Es ist die finanzielle Situation Griechenlands und damit die Zukunft der Eurozone.

Schon die Reise von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet zum Gipfel nährte neue Spekulationen über ein Rettungsprogramm für das hochverschuldete Land. Überdies warnte der scheidende Wirtschafts- und Währungskommissar Joaquin Almunia vor einem "Übergreifen der Krise auf andere Länder der Eurozone". Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass Griechenland die angekündigten Sparmaßnahmen umsetze, dazu gebe es auch einen Überwachungsprozess der EU-Kommission.

Glaubt man der "Financial Times Deutschland", so bereitet die deutsche Regierung ein Hilfspaket vor. Eine offizielle Bestätigung dazu gab es bis Dienstagabend nicht. Über Details wolle Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Spitze der Unionsfraktion Mittwoch informieren. Angestrebt sei eine europäische Lösung, es werde aber auch ein Alleingang Deutschlands nicht ausgeschlossen.

Auch über Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB) für Griechenland kursieren seit Wochen Gerüchte, wenngleich EIB-Chef Philippe Maystadt erklärte, Auftrag und Statut der EU-Förderbank erlaubten ihr keine Rettungsaktionen bei hohen Staatsschulden oder Ungleichgewichten in der Zahlungsbilanz.

Ein EU-Diplomat erklärte, bilaterale Kredithilfen einer Regierung könne es zwar geben. Doch wenn Griechenland gestützt würde, könnten Portugal und Spanien das auch verlangen. Dies sei angesichts der auch in den großen EU-Ländern schon rapide steigenden Staatsverschuldung nicht finanzierbar: "Wir sind jetzt in einem hoch ansteckungsgefährdeten Szenario. Ich möchte die Regierung sehen, die das in Europa schultern soll."

Unterdessen muss die EU-Kommission von mehreren Seiten Kritik einstecken, dass sie zu spät auf Griechenlands Schuldenkrise reagiert habe. Dass es im Gegensatz dazu beim Gipfel schnelle Beschlüsse geben wird, damit scheint aber auch Van Rompuy nicht zu rechnen. Er sieht das Treffen als Beginn "eines fortgesetzten Prozesses" an.

Hauptthema rückt in den Hintergrund

Das ursprüngliche Hauptthema, nämlich die Frage nach der künftigen Wirtschaftspolitik, rückt angesichts der Griechenland-Debatte in den Hintergrund. Eine erneuerte "Strategie für Jobs und Wachstum" sei nötig, schrieb Van Rompuy in seiner Einladung. "Unsere strukturelle Wachstumsrate reicht nicht aus, um genügend Arbeitsplätze zu schaffen und unser Sozialmodell aufrechtzuerhalten." Um den europäischen "way of life" wahren zu können, sei Zusammenarbeit nötig. Ideen, wie dies zu bewerkstelligen sei, sollen die EU-Kommission wie auch die einzelnen Länder liefern. Österreich erwarte sich "einen Fingerzeig, wie es im Bereich Finanzmarkt weitergehen soll", heißt es aus dem Bundeskanzleramt.

Im Hintergrund steht unter anderem die Frage, wie Banken zur Konsolidierung des Staatshaushalts beitragen können. Wien machte sich beispielsweise immer wieder für die Einführung einer europaweiten Bankensteuer stark; Berlin wiederum könnte sich Sonderabgaben für Banken vorstellen. Auch hier dürfte es beim Gipfel in Brüssel allerdings mehr um eine Grundsatzdebatte als um konkrete Beschlüsse gehen.