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Das tiefe Loch

Von Tamara Slavik

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Das brutale Ausscheiden Österreichs stellt den Fan vor ganz neue Probleme praktischer Natur.


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Der Fußball kann manchmal grausam sein. Und damit ist gar nicht einmal die Niederlage gegen Deutschland (wir haben ja immer noch Cordoba) gemeint und auch nicht das Ausscheiden aus der Heim-Europameisterschaft.

Nein, die Tragik liegt ganz woanders: Österreich hat nur mit 0:1 verloren, so wenige Treffer haben wir gegen internationale Spitzenteams schon lange nicht kassiert. Österreich hat verdient verloren, war - ob das die Realitätsverweigerer unter Kickern und Anhängern wahrhaben wollen oder nicht - sogar um mehr als dieses eine blöde Tor schlechter als die Deutschen, die jetzt auch nicht grad super waren.

Aber die Burschen haben wenigstens gekämpft, sich nicht aufgegeben, alles in allem in den drei Spielen ganz passabel ausgesehen und mit ihrer Leidenschaft sogar internationale Experten überzeugt, auch wenn das möglicherweise an den niedrigen Ansprüchen gelegen sein könnte.

Aber immerhin: Erhobenen Hauptes können die Teamspieler nun ihre Sachen in Stegersbach packen und ihren Kurzurlaub antreten, das hört, liest und glaubt man überall. Mit blamablen Vorstellungen und einer Tordifferenz von minus 13 aus drei Spielen hätte man noch irgendwie umgehen können. Man hätte halt das getan, was der gemeine Fußball-Fan ohnehin am liebsten tut: Man hätte gesudert, geschimpft, wäre auf den Teamchef, die Spieler, die Ausrüster (warum auch immer), eine höhere Macht und die Welt so richtig schön angfressen gewesen.

Aber jetzt? Nichts. Ein tiefes Loch. Manch einer, der gegen Polen zu Beginn und Kroatien gegen Ende die vielen und gegen Deutschland die wenigen Chancen vergeben hat, würde wohl gerne darin versinken, dem Fan bleibt nichts anderes übrig, als brutal hineinzuplumpsen.

Und plötzlich tun sich ihm ganz neue Probleme auf: In wessen Landesfarben soll ich mich nun kleiden, wessen Gegner soll ich beschimpfen? Wie erkläre ich meinem Partner/meiner Partnerin, warum ich trotzdem die Fernbedienung nicht aus der Hand geben kann und warum ich meinen Bierkonsum jetzt aber sicher nicht wieder herunterschrauben werde? Und soll ich die rot-weiß-rote Fahne, deretwegen ich sogar in Zeiten wie diesen einen höheren Spritverbrauch in Kauf genommen habe, nun abmontieren oder aus einem kindlichen Trotz heraus und jetzt erst recht eine zweite aufhängen? An all das haben die Kicker wohl nicht gedacht, als sie sich so sang- und glanzlos, aber doch ohne Schimpf und Schande aus dem eigenen Turnier verabschiedet haben. Ja darf man denn so etwas? Wenn die Uefa denn schon alles verbieten muss, warum dann bitte nicht auch sowas?

Aber nein, nix da. Der Fußball ist eben gnadenlos. Und das Loch tief. Wie beruhigend zu wissen, dass wir erhobenen Hauptes hineinfallen.

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"Wie erkläre ich nun, dass ich meinen Bierkonsum aber sicher nicht deswegen herunterschraube?"