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Das Treffen der "Befreiten"

Von Herbert Winkler

Politik

Washington - Der Krieg ist noch nicht vorbei, doch schon geben die USA im Irak den Startschuss zu einer Nachkriegsordnung. Rund 100 "freie" und "befreite" Iraker sind gestern nach Nassiriyah eingeladen worden, um auf der ersten Regionalkonferenz über die Zukunft ohne Saddam Hussein zu be-raten. Washington hat es eilig damit zu demonstrieren, dass es so schnell wie möglich die Verantwortung für das Land an die Iraker zurückgeben will. Für einen konkreten Zeitplan ist es allerdings nach den Worten von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld "ein bisschen verfrüht".


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Während der Weg dahin noch von Kämpfen, Unruhen und Plünderungen verstellt wird, ist das Ziel klar: die Geburt eines Staates, der nach Darstellung des Rumsfeld-Stellvertreters Paul Wolfowitz mit einer demokratischen Regierung und ohne Massenvernichtungswaffen eine "demonstrative und inspirative Wirkung" auf die Nahost-Region ausübt. Es soll bei aller ethnischer Vielfalt ein einziger Staat bleiben; im Norden soll ein kurdisches Gebiet mit starker Autonomie Teil des neuen Irak sein.

Das Rumsfeld-Postulat

Rund zwei Drittel der nach Nassiriyah Eingeladenen haben in Saddams Irak gelebt, die übrigen im Exil oder im nördlichen Kurdengebiet. Wer nicht an der regionalen Konferenz-Serie teilnehmen darf, die mit einer großen Versammlung in Bagdad gekrönt werden soll, ist unstrittig: "Keine Leute der Baath-Partei, keine Leute der Fedayin Saddam, keine Überbleibsel Saddam Husseins, niemand, der Kriegsverbrechen begangen hat", postulierte Rumsfeld.

Wer sonst noch auf eine persönliche Anwesenheit verzichtet, illustriert, dass nicht nur unter den Irakern, sondern auch den Amerikanern erhebliche Differenzen ausgeräumt werden müssen. Der Präsident des Irakischen Nationalkongresses, Ahmed Chalabi, und weitere kontroverse Exilpolitiker entsenden nur Vertreter. Das Pentagon hatte im Weißen Haus und im Außenministerium für böses Blut gesorgt, als es seinen Favoriten Chalabi vor über einer Woche mit hunderten bewaffneten Anhängern in den Irak flog.

Das wirkte wie eine Vorentscheidung über den nächsten Präsidenten des Irak. Chalabi wandte sich inzwischen im US-Fernsehen selber gegen diesen Eindruck. Über Ämter zu reden, sei hypothetisch. "Ich bin jetzt für keinerlei Regierungsposition im Irak ein Kandidat." In US-Fernsehinterviews machte er gleichzeitig Druck. "In ein paar Wochen" schon könnte eine irakische Übergangsverwaltung von dem US- Administrator Jay Garner die Verantwortung übernehmen, meinte er, während US-Beamte allgemeiner von "so schnell wie möglich" sprechen.

Die Amerikaner sollten nach Chalabis Standpunkt so lange im Land bleiben, bis es eine neue Verfassung und eine frei gewählte Regierung gibt. "Dieses Verfahren dürfte weniger als zwei Jahre dauern." Vize-Verteidigungsminister Wolfowitz schließt indes nicht aus, dass es in einem befreundeten Irak US-Stützpunkte geben wird.

Ansätze einer Verfassung

In Nassiriyah sollen unter der Leitung Garners und mit Beteiligung des Bush-Beauftragten Zalmay Khalilzad Ansätze zu einer Verfassung und Fragen wie Schutz der Bürgerrechte und Gründung einer unabhängigen Justiz erörtert werden. Abseits vom Verhandlungstisch wird der erste Test die Zusammenarbeit der Amerikaner, Briten und anderen Mitglieder der Kriegskoalition mit lokalen Kräften bei der Herstellung von Sicherheit und Ordnung sein. "In jeder Stunde, die verstreicht, wird es besser und friedlicher", hofft Rumsfeld.