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190 Länder suchen bei Konferenz einen Ausweg aus der Unterernährung. | Krise lässt Zahl der Hungernden auf eine Milliarde steigen. | Rom/Wien. Mit großem Brimborium hatte die UNO-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) vor fast eineinhalb Jahren den Welternährungsgipfel ausgerichtet. Gekommen waren Regierungsvertreter aus fast 180 Ländern, herausgekommen ist nach Meinung vieler Experten so gut wie nichts. In dem nach zähem Ringen erstellten Abschlussdokument wurden konkrete Verpflichtungen ausgeklammert, neue Strategien oder Lösungsansätze fanden sich in dem Papier nicht. "Mutlos" war das am häufigsten gebrauchte Attribut der Hungerhilfe-Organisationen, als es um die Bewertung des Treffens ging.
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Am kommenden Montag startet die FAO nun einen neuen Versuch. Über tausend Delegierte aus 190 Ländern werden in Rom drei Tage lang über Strategien zur Bekämpfung der weltweiten Hungersnot beraten. Auch mehr als 60 Staats- und Regierungschefs werden an dem Treffen teilnehmen. Eröffnet wird der dritte Welternährungsgipfel nach 1996 und 2008 mit einer Ansprache von Papst Benedikt XVI.
Ins Abseits gerückt
Die Vorzeichen im Kampf gegen den Hunger stehen allerdings schlecht. Die Zahl der unterernährten Menschen wird heuer erstmals auf mehr als eine Milliarde ansteigen. Das bereits 1996 von der internationalen Staatengemeinschaft ausgegebene Ziel, den Hunger in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren, scheint damit weiter in die Ferne gerückt denn je.
Gleichgeblieben ist hingegen die Geografie des Hungers. Die große Mehrheit der Hungernden lebt laut FAO in den Entwicklungsländern. 642 Millionen sind es im Asien-Pazifik-Raum, 265 Millionen im Afrika südlich der Sahara, wo auch der prozentuelle Anteil der Unterernährten an der Gesamtbevölkerung nach wie vor am größten ist. In Lateinamerika sitzen 53 Millionen Menschen vor leeren Tellern, im Nahen Osten und in Nordafrika sind es 43 Millionen.
Der traurige Rekord geht diesmal aber nicht auf schlechte Ernten, sondern auf die weltweite Wirtschaftskrise zurück. Viele Menschen in den Entwicklungsländern hätten große Einkommenseinbußen oder den Verlust ihrer Arbeit hinnehmen müssen, heißt es in einem Bericht der FAO. Gleichzeitig haben Spekulationen an Warenterminbörsen, die vermehrte Nutzung der Anbauflächen für Bio-Treibstoffe und die erhöhte Nachfrage aus China die Lebensmittelpreise massiv in die Höhe getrieben (siehe Interview unten) .
Für die Entwicklungsländer hat die Krise aber noch einen weiteren negativen Effekt gebracht: Die Hungerproblematik ist in den Industrieländern in den Hintergrund gedrängt worden: "Wenn man sich ansieht, welche Mittel die Industrieländer zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise mobilisiert haben, wird klar, wo hier die Prioritäten liegen", sagt Marita Wiggerthale, Agrar-Expertin bei der internationalen Hungerhilfe-Organisation Oxfam. FAO-Generaldirektor Jacques Diouf spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer "lautlosen Hungerkrise", die aber nichtsdestotrotz den Weltfrieden und die Sicherheit gefährde.
Mehr Investitionen
Einen Ausweg aus der verfahrenen Situation soll nun offenbar ein Strategiewechsel bringen. Dem unveröffentlichten Entwurf der Gipfel-Abschlusserklärung zufolge sollen sich die reichen Staaten zu höheren Investitionen in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer verpflichten. Damit würden diese künftig weniger auf direkte Lebensmittelhilfen angewiesen sein, die aber noch weitergehen sollen, bis die betroffenen Länder selbst genug Nahrungsmittel produzieren können. Der Entwurf verpflichtet die Industriestaaten aber nicht zu konkreten Geldzuwendungen. Und die von der FAO geforderten 44 Milliarden Dollar pro Jahr für Agrar-Entwicklungsmaßnahmen im kommenden Jahrzehnt werden nicht erwähnt. Hungerhilfeorganisationen fürchten daher, dass der Gipfel 2009 in seinem Ausgang dem Gipfel 2008 ähneln könnte.