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Das unsichtbare Auge vor unseren Fenstern

Von Daniel Bischof

Wirtschaft

Drohnen könnten schon bald im großen Stil Einzug in den zivilen Luftraum halten.


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Wiener Neustadt. Bedächtig dreht der Camcopter S-100 seine Runden auf dem Testgelände der Firma Schiebel in Wiener Neustadt. Immer wieder fliegt das unbemannte Fluggerät am riesigen Fenster des Besprechungszimmers vorbei. Hannes Hecher, Managing Director der Firma, ist dort gerade damit beschäftigt, den S-100 - das Vorzeigeprodukt von der Firma - anzupreisen. Er bemerkt nicht, dass er von draußen beobachtet wird. Gerade diese Unscheinbarkeit des Camcopters ist der Grund dafür, dass vielen Menschen Angst vor dem Fluggerät und dieser relativ neuen Technologie macht: der Verlust der Privatsphäre, das Gefühl, ständig beobachtet und ausgespäht zu werden und ungewünscht fotografiert zu werden.

Hecher will den Menschen dieses mulmige Gefühl nehmen. "Angst entsteht immer dort, wo Unwissenheit herrscht", sagt er. Deshalb müsse man öffentlich über den Einsatz von unbemannten Fluggeräten - besser bekannt als "Drohnen" - diskutieren, so Hecher. Es müsse reguliert werden, wofür man die Geräte verwenden dürfe und wofür nicht und klare Grenzen ziehen. "Fotos von meiner Hochzeit machen? Das ist möglich. Fotos von mir im Badezimmer? Das geht nicht."

Hecher ist ein dynamischer Mann. Wenn er über die Produkte von Schiebel spricht, ist er ständig in Bewegung: Mal steht, mal sitzt er, ständig eilt er von einem Raum zum anderen. Meist spricht er mit ruhiger Stimme, doch dann und wann packt ihn der Eifer. Dann erzählt er euphorisch von den Erfolgen des Unternehmens, von den Einsatzmöglichkeiten des Camcopters und dessen Potenzial. Um all die Zweifel und Ängste rund um unbemannte Fluggeräte zu zerstreuen, beantwortet Hecher geduldig und mit klinischer Präzision alle technischen Fragen rund um den S-100. Detail für Detail kaut er die Nutzungsmöglichkeiten des Camcopters durch: Von der Landwirtschaft über sicherheitspolitische Maßnahmen und bis zum Katastrophenschutz könne man ihn gewinnbringend einsetzen. Aber wie funktioniert der Camcopter überhaupt?

"Die Mission wird in einen Computer eingegeben und nach Wegpunkten aufgegliedert. Der Helikopter startet dann vollautomatisch und fliegt die entsprechenden Wegpunkte ab", erklärt Hecher. Dieser würde dann mit seiner Kamera Bilder liefern, die man mithilfe von Computerprogrammen mit den Bildern von Vortagen vergleichen könne, so Hecher. Im Alltag könnten nach diesem Prinzip etwa Pipelinebetreiber den Camcopter täglich eine vorgegebene Route abfliegen lassen, um so ihre Pipelines auf Schäden zu überprüfen.

Luftfahrtriesen sind bisher nur wenig an Drohnen interessiert

Drohnen sind vielseitig für zivile Zwecke nutzbar, beispielsweise zur Verkehrsregulierung.
© Schiebel

Für Schiebel ist die Entwicklung des Camcopter bisher eine Erfolgsgeschichte. Das Unternehmen ist laut eigenen Angaben auf seinem Gebiet sowohl Weltmarkt- als auch Technologieführer und macht mit dem Camcopter drei Viertel seines Umsatzes. "Wir sind die Größten von den Kleinen und die Kleinsten von den Größten", beschreibt Hecher die Stellung seines Unternehmens auf dem internationalen Markt für Technologie von unbemannten Fluggeräten. Dabei müsse viel Geld in die Entwicklung investiert werden, um Mitbewerber - wie den schwedischen Rüstungskonzern Saab - weiterhin abzuhängen.

Doch die Konkurrenz scheint Hecher ohnehin keine großen Sorgen zu bereiten. Denn die großen Luftfahrzeughersteller seien an diesem Marktsegment noch nicht interessiert. Hechers Ausführungen hingegen klingen, als würde Schiebel finanziell keine Risiken scheuen, obwohl das Drohnengeschäft bisher nur auf militärische Abnehmer beschränkt ist. Der zivile Luftraum ist für das unbemannte Fluggerät noch nicht freigegeben. Wie gut das Gerät auf dem zivilen Markt ankommen wird, wird sich zeigen.

Hecher erachtet die hohen Kosten durch den langwierigen und teuren Zertifizierungsprozess für Drohnen als notwendige und zukunftsträchtige Investition für Schiebel. "Die Technologie wird Teil des zivilen Luftraums werden und uns enormen Nutzen in unser aller Leben bringen", schwärmt der gebürtige Tiroler. Der S-100 könnte unter anderem in radioaktiven Gebieten oder zur Überwachung von gefährlichen Stadtteilen sowie zur Verkehrsregulierung verwendet werden.

Drohnen wichtig für die heimische Rüstungsindustrie

Reinhard Marak von der österreichischen Wirtschaftskammer sieht das ebenso. Er ist Jurist und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Sicherheit und Wirtschaft, welche die Interessen österreichischer Rüstungs- und Sicherheitsunternehmen vertritt, so auch jene von Schiebel. Er wählt seine Worte in der Drohnenfrage mit viel Bedacht. "Österreich wird nie alle Wirtschaftsbereiche abdecken, die man für die Landesverteidigung braucht. So werden wir beispielsweise wohl keine Jets bauen. Allerdings gibt es Nischen, die wir etabliert haben und in denen wir die Weltspitze sind, wie beispielsweise - in Teilbereichen - bei unbemannten Fluggeräten", sagt Marak. Drohnen seien die einzige Möglichkeit, um am internationalen Markt "mitzuspielen". Denn Österreich sei nun einmal kein Billiglohnland und stelle High-Tech-Produkte her.

Marak verstehe, dass bei unbemannten Fluggeräten besondere Sorgfalt bei der Freigabe des Luftraums erforderlich ist: "Natürlich ist man vorsichtig: Man möchte nicht leichtfertig Dinger fliegen lassen, bei denen man das Gefühl hat, dass man sie nicht ganz unter Kontrolle hat." So seien die Sicherheitsanforderungen für unbenannte Luftfahrzeuge mittlerweile schon strenger als für jedes bemannte Fluggerät.

Solange ein ziviler Markt für Drohnen verschlossen bleibt, muss sich Schiebel weiterhin auf seine militärischen Abnehmer konzentrieren. Doch die militärische Nutzung von unbemannten Fluggeräten wird aufgrund des umstrittenen Einsatzes durch die USA im Jemen, in Afghanistan und Pakistan von vielen kritisch beäugt. Von solch einer Nutzung will sich Schiebel bewusst abgrenzen. Hecher zufolge ist eine Bewaffnung des Camcopters alleine aufgrund seiner Größe und des Gewichts der Waffen nicht oder kaum möglich. Zudem gäbe es billigere Möglichkeiten, um 50 Kilogramm Sprengstoff zu transportieren, sagt Hannes Hecher.

Bedenken wegen möglicher militärischer Nutzung

Wie schnell man allerdings selbst mit dem Export von unbewaffneten Aufklärungsdrohnen ins mediale Kreuzfeuer geraten kann, hat das Unternehmen bereits mehrmals selbst erlebt. So kam zum Beispiel zum Beginn des libyschen Bürgerkrieges im Frühling 2011 heraus, dass Schiebel 2009 vier Camcopter an das Gaddafi-Regime verkauft hatte. Das Wirtschaftsministerium hatte die Ausfuhr zum Zweck der Grenz- und Migrationskontrolle damals erlaubt. Die Vorwürfe, dass die S-100 aber auch zum Aufspüren von Aufständischen benutzt wurden und der Export demnach gegen das Kriegsmaterialgesetz verstoßen würde, stehen weiterhin im Raum.

Spricht man Hecher darauf an, so ist er plötzlich viel weniger auskunftsfreudig. Zu den Vorwürfen sagt er nur knapp: "Es gibt keine Verkäufe, die nicht der österreichischen Gesetzeslage entsprechen." Da man in Österreich produziere und entwickle, würden jede Lieferung und Ausfuhr den österreichischen Gesetzen unterliegen. Außerdem gelte für Österreich aufgrund der Neutralität sicherlich ein viel höherer Standard als in den restlichen EU-Mitgliedsländern, so Hecher.

Drohnen-Produzenten kritisieren Gesetzeslage

Würde das Unternehmen auch an Staaten mit besonders repressiven Regierungen liefern, so die österreichischen Behörden die Ausfuhr erlauben? Bei dieser Frage schaltet sich der PR-Mann von Schiebel, Rudolph Lobmeyr von Rosam, ein: "Dafür gibt es ja Gesetze. Das ist so, als ob man fragen würde: Würden Sie 300 auf der Autobahn fahren? Würden Sie jemanden erschießen?" Die Frage stelle sich für ihn daher überhaupt nicht erst. Genau mit diesen Gesetzen ist Lobmeyr jedoch offensichtlich nicht vollkommen zufrieden. "Die Gesetze sind sogar so streng, dass man sagen kann: Ist das wirklich notwendig? Muss das wirklich so streng sein, nur weil da einmal ein ,Bürgerkrieg‘ vor so und so vielen Jahren war?", fragt Lobmeyr. Hecher formuliert es ein wenig vorsichtiger. "Die Prüfung durch die Ministerien ist sehr exzessiv", sagt er. Teilweise werde die geltende Gesetzeslage einfach zu streng gehandhabt, so Hecher. Der Schiebel-Manager ist sich allerdings sicher, dass die Behörden ihre Regeln lockern werden, sobald Schiebel im zivilen Luftraum besser Fuß gefasst habe.

Der Jurist Reinhard Marak sieht das eigentliche Problem woanders. Österreichische Behörden würden zwar nicht zu streng prüfen, aber andere Staaten - die eigentlich ähnliche oder gleiche Regelungen anwenden müssten wie Österreich - würden oftmals Exporte genehmigen, die Österreich vorher versagt hätte. Einheitliche, verbindliche Regelungen könnten hier seiner Meinung nach Abhilfe schaffen. Man könne sich dabei an Österreich und seinen Gesetzen orientieren. "Ich glaube, dass die österreichischen Standards sehr ausgewogen sind", sagt er. Er verstehe jedoch auch die andere Seite. "Manchmal kommt es auch in Österreich zu Entscheidungen, die für unsere Unternehmen schwer nachvollziehbar sind", räumt Marak ein.

"Am Ende sitzt immer ein Mensch hinter der Drohne"

Natürlich führt der militärische Einsatz von unbemannten Fluggeräten auch zu einem anderen Problem: Er verpasst allen Drohnen - auch jenen, die für zivile Zwecke eingesetzt werden - ein schlechtes Image. Die Firma Schiebel ist sich dessen bewusst. Zurück in Wiener Neustadt führt Hecher durch die weitläufigen Produktionshallen des Unternehmens. Überall werkeln die Mitarbeiter an den verschiedensten High-Tech-Bestandteilen, während das Radio die Charthits auf- und abspielt. Die Schwierigkeit, seinen unbemannten Fluggeräten eine positiviere Konnotation zu verleihen, gibt auch Hannes Hecher zu denken. "Es gibt keine Lobby für Drohnen. Derzeit werden sämtliche unbemannte Fluggeräte mit dem Sammelbegriff Drohne beschrieben: von dem kleinen Modelbaugerät, über den mittelgroßen Camcopter bis zu den riesigen, schwer bewaffneten Kampfmaschinen", beklagt Hecher. Diese mangelnde Unterscheidung und das Image der unbemannten Fluggeräte werden sich aber ändern, wenn der zivile Luftraum für sie erst einmal freigegeben werde, so Hecher. Er zieht einen Vergleich mit Mobiltelefonen: "Niemand hat sich gedacht, dass Fotokameras durch Handys ersetzt werden. Heutzutage kauft sich kein Mensch mehr eine Kamera."

Ähnlich ist auch die Sichtweise des Juristen Reinhard Marak: "Der Name Drohne geht mittlerweile in die falsche Richtung", sagt er. Wenn man an eine Drohne denke, habe man ein technisches Gerät vor Augen, das alleine durch die Gegend fliegt. "Am Ende sitzt jedoch immer der Mensch dahinter und trifft die Entscheidungen", sagt Marak.