Keiner kann sagen, wie Politik im 21. Jahrhundert funktionieren soll. Aber Hauptsache, am Amt des Bundespräsidenten wird herumgeschraubt.
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Vordergründig geht es bei der "Entrümpelung" des Amts des Bundespräsidenten (Co SPÖ und ÖVP) lediglich darum, das aus historischen Gründen mit einigen seltsamen Kompetenzen befrachtete Staatsoberhaupt ein wenig zeitgemäßer auszugestalten. Der lange Schatten des Kaisers soll künftig kürzer fallen. Ein solch oberflächlicher Blick auf die aktuelle Debatte um eine Beschneidung des höchsten Amts im Staat wird der Sache allerdings nicht gerecht.
Den Parteien, die nun auf Änderungen drängen - neben den beiden Regierungsparteien noch die Grünen -, geht es darum, das politische Gewicht des Amtes neu zu justieren und an die Bedingungen der Innenpolitik zu Beginn des 21. Jahrhunderts anzupassen.
Unpraktisch ist nur, dass sich Land und Politik gerade in einer Übergangsphase befinden, von der niemand zu sagen vermag, wie lange sie noch andauert (wenn sie überhaupt je ein Ende finden sollte, immerhin geht das jetzt schon seit den späten 1980er Jahren so) und was danach kommen könnte. Dass nicht nur Journalisten das so wahrnehmen, sondern auch die Parteien selbst, davon zeugen die langen Listen an radikalen Reformideen für die Republik, die in regelmäßigen Abständen aufgeregt debattiert werden.
Dabei wird je nach politischer Lust, Laune und Opportunitätsgründen reichlich abgeschafft (Bundesrat, Landtage, Bundesländer, Einstimmigkeit im Ministerrat), gestärkt (die Bürger durch mehr direkte Demokratie, die einzelnen Abgeordneten durch ein Persönlichkeitswahlrecht, "Brüssel", Nationalrat, Bundesrat, Kanzler) oder abgewertet (Bundespräsident, Ministerautonomie, "Brüssel"). Und dann geistern ja auch noch so radikale Fantasien wie eine Referendumsdemokratie oder ein Mehrheitswahlrecht als Kanzlerplebiszit durch die Arena, die beide die Republik überhaupt auf neue Fundamente stellen würden, wenn sie denn je tatsächlich umgesetzt werden sollten.
Nichts von all dem ist wirklich und mit der notwendigen Ernsthaftigkeit bis zum Ende durchdacht worden. Und trotzdem diskutieren die Parteien bereits über eine neue Rollenverteilung zwischen dem Bundespräsidenten und dem Nationalrat bei der Ernennung von Kanzler und Regierung sowie bei der Auflösung des Nationalrats. Dabei würde jedes Drehen an einer mehrheitsfördernden Schraube beim Wahlrecht die Balance zwischen Präsident, Parlament und dem Gewinner einer Wahl erneut nachhaltig verändern; noch viel grundlegender würde dies die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips im Ministerrat tun, das die Machtverhältnisse in jeder Koalitionsregierung nachhaltig auf den Kopf stellen würde - jedenfalls, wenn sie aus mehr als zwei Parteien besteht.
Es gibt viel Sand im Getriebe der Republik, der das Regieren grundsätzlich erschwert. Der größere Teil davon ist notwendig, schließlich handelt jede liberale Verfassung im Kern davon, Macht zu begrenzen. Ein kleinerer Teil behindert bloß den Gestaltungsauftrag von Politik ohne zusätzlichen Nutzen. Eigentlich wäre es dringender, solche Fehlkonstruktionen zu beheben. Das ist allerdings weit mühsamer, als am Amt des Bundespräsidenten zu schrauben.