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Das Urteilen dem Gericht überlassen

Von Christoph Irrgeher

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"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.

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Am Donnerstag ist Kevin Spacey vermutlich ein ganzer Felsen vom Herzen gefallen: Der Filmstar wurde vom Vorwurf des sexuellen Übergriffs mit Körperverletzung freigesprochen. Ein Schauspielerkollege, Anthony Rapp, hatte in New York einen Zivilprozess angestrengt und rund 40 Millionen Dollar Schadenersatz gefordert, weil ihn Spacey sexuell belästigt habe, als er 14 Jahre alt war. Die Missetat soll sich 1986 ereignet haben, sagt das vermeintliche Opfer, Spacey bestreitet die Vorwürfe. Vor Gericht verwickelte sich Rapp allerdings in Widersprüche und konnte keinen der Geschworenen überzeugen.

Das Urteil könnte dennoch vielerorts übersehen werden. "Filmstar soll gegrapscht haben": Ein solcher Satz wird gern in die Schlagzeilen gehievt. Die Meldung vom Freispruch des Mimen landet dann aber, weil "fad", eher im Kurzmeldungskasterl. Wobei: Wer wartet heute überhaupt noch auf die Judikatur? Im Zeitalter des Empörungswillens entscheidet man solche Fälle lieber selbst, und zwar als Schnell- und Scharfrichter in den Sozialen Medien. Bis heute hat kein Zivil- oder Strafgericht Kevin Spacey verurteilt. Seine Karriere liegt dennoch in Trümmern.

Um hier nicht missverstanden zu werden: Das soll kein Plädoyer für Spacey sein, einen Mann, den in den Vorjahren etliche Personen der sexuellen Belästigung beschuldigt haben. Doch darüber sollten alleine befugte Gerichte urteilen - im Interesse einer vernünftigen, faktenorientierten, humanistischen Gesellschaft oder kurz gesagt: eines demokratischen Rechtsstaats.