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Österreich wird in den Bereichen Forschung, Wissenschaft und Innovation zurückfallen, weil es nicht genug Geld aufbringt.
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Wien. Wien, im Jahr 2020: Österreichs Budget ist ausgeglichen. Doch es schweben Risiken über der Volkswirtschaft. Der Stahlproduzent Voest Alpine hat bereits darauf reagiert, indem er seine Zentrale in die Schweiz verlagert hat. Und der deutsche Chiphersteller Infineon hat seinen Standort aus Villach abgezogen. Leitbetriebe verlagern hochwertige Produktion ins Ausland und die Forschungsabteilungen gleich mit. Die Produktivität und die Zahl der Arbeitsplätze sinken.
Wissenschafter kommen nicht nach Österreich, sondern sie gehen: In Schweden, Deutschland und der Schweiz ist es leichter, Mittel für langfristige Forschungsprojekte zu bekommen. Mangels Geld für Spitzenforschung werden heimische Universitäten zu Lehranstalten. Österreich ist ein Mitläufer in Sachen Forschung geworden.
Wenn man der Forschungscommunity Glauben schenkt, ist dieses recht düstere Zukunftsszenario durchaus realistisch. Helga Nowotny, die ehemalige Präsidentin des Europäischen Forschungsrats, sagte unlängst: "Wahrscheinlich ist vielen nicht bewusst, wie sehr die Forschungsförderung in Österreich an der Kippe steht."
Dabei sollte es ganz anders kommen. Das Land sollte zum "Innovation Leader" in Europa aufgebaut werden und mit Schweden, Finnland und der Schweiz gleichziehen. Dieses Ziel hatte die Regierung in ihre nationale Forschungsstrategie geschrieben. Umgelegt auf Zahlen hätte es bedeutet, bis 2020 insgesamt 3,76 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung auszugeben. Doch Papier ist geduldig. Erreicht wurden 2,81 Prozent im Jahr 2013 und Platz zehn im EU-Ranking für Innovationsfähigkeit.
Zusammengekratztes Budget
Den "Leadern" ist man nicht näher gekommen. "Diese Länder geben das Tempo vor", sagt Stefan Bernhardt vom Wissenschaftsfonds FWF, der in Österreich die Vergabestelle für Förderungen in der Grundlagenforschung ist. Im Vorjahr standen dem FWF 192 Millionen Euro zur Verfügung, wobei das Budget nur etwa zur Hälfte gedeckt war, der Rest "zusammengekratzt" wurde, wie Sigrid Maurer, Bildungssprecherin der Grünen, sagt. Mal waren es Ermessungsausgaben, mal Auflösungen von Rückstellungen.
Das allein sei für den FWF ein Problem, sagt Maurer, ein "strukturelles Finanzierungsproblem", da ja mit diesem Geld langfristige Grundlagenforschung betrieben werden sollte. Doch der hohe variable Anteil am Budget erschwert die Planung massiv.
Das andere Problem ist die Höhe des Etats. Der Wunsch, künftig mit 210 Millionen Euro zu arbeiten, wird sich nicht erfüllen, so viel scheint einmal klar. Doch offenbar steht nun der gesamte variable Anteil bei den derzeitigen Verhandlungen zwischen Wissenschafts- und Finanzministerium zur Diskussion.
Arbeitsplätze gefährdet
Minister Reinhold Mitterlehner hatte ursprünglich einen Finanzierungsbedarf von 1,6 Milliarden Euro für den universitären Bereich, inklusive der Forschung, angemeldet, zuletzt aber selbst nur noch mit einer Milliarde spekuliert. Das sei das "Pflichtprogramm", sagt Mittlerlehner, "ein Nein würde ich nicht akzeptieren". Die flächendeckende Studienplatzfinanzierung dürfte jedenfalls verschoben werden, Maurer befürchtet aber auch einen Kahlschlag beim FWF.
Der Wissenschaftsminister war mit einem Fördervolumen von 243 Millionen Euro für den FWF in die Verhandlungen gegangen, das hätte für die Jahre 2016 bis 2018 etwa 180 Millionen pro Jahr bedeutet. Doch wie wird Mittlerlehner aus diesen Verhandlungen wieder herauskommen?
Würde der variable Teil komplett gestrichen werden, der FWF auf 100 Millionen Euro absacken, "wären wir praktisch handlungsunfähig", sagt Bernhardt. "Wir könnten jedenfalls keine neuen Projekte mehr fördern". Dieses Szenario hätte auch unmittelbare Konsequenzen, da der FWF rund 3800 Forschern Arbeit gibt. "Wenn das Budget halbiert wird, kann man sich ausrechnen, was das bedeutet", sagt Maurer.
Es gibt aber auch langfristige Auswirkungen, wie Alexander Van der Bellen, der Universitätsbeauftragte der Stadt Wien, erklärt: "Die Regierung fördert damit den Braindrain, und sie produziert mutwillig die Arbeitslosen von übermorgen." Wien als zentraler Forschungsstandort Österreichs wäre besonders betroffen.
Dabei wird die Grundlagenforschung in der Wirtschaft nicht sonderlich geliebt, so hat Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl immer wieder eine Schwerpunktsetzung auf angewandte Forschung verlangt, die EU solle sich um die Grundlagen kümmern. Dem widerspricht aber der Wirtschaftsforscher Jürgen Janger vom Wifo: "Nach allem was wir wissen, halte ich das für einen Fehler", sagt er. "Angewandte Forschung ist schon sehr nahe am Markt, öffentliche Förderungen kann ich daher weniger rechtfertigen als Grundlagenforschung." Diese passiert zwar auch in Unternehmen, allerdings weit weniger, weshalb in anderen Ländern wie in der Schweiz die Grundlagenforschung höher dotiert ist. In Österreich ist das anders.
Best Case als Verschlechterung
Doch selbst wenn der komplette Abfall der Förderungen beim FWF nicht passiert, Mittlerlehner also die 180 Millionen Euro durchbringen sollte, wäre das weniger als bisher. "Man kann das nicht wegdiskutieren, dass auch das nicht mit dem politischen Anspruch zusammenpassen würde", so Bernhardt vom FWF. Und Janger sagt: "Wenn man aufholen will, muss man auch die Innovation stärker forcieren. Ich halte diese Entwicklung für sehr bedenklich." Zumal es auch bei der angewandten Forschung derzeit in die andere Richtung geht. Deshalb sagt auch Klaus Pseiner, Geschäftsführer der Forschungsförderungsgesellschaft FFG: "Innovation Leader werden wir nicht, es wird schwierig genug, den Platz zu halten." Die FFG ist für die Vergabe der Mittel für die angewandte Förderung zuständig und verzeichnete 2013 einen Auszahlungsrekord von 436 Millionen Euro. Allerdings brechen im Budget 2014 einige Geldquellen wie die Nationalstiftung weg. Außerdem sei das "All-Time-High" aus dem Vorjahr nicht aktuellen, sondern den früheren Budgets zu verdanken, sagt Pseiner. Mehrjährige Projekte werden in Etappen finanziert. Während für diese sogenannte Mittelbindung im Jahr 2008 insgesamt 662 Millionen Euro zur Verfügung standen, waren es 2013 nur mehr 587 Millionen. Für heuer seien nur etwa 502 Millionen Euro zu erwarten.
Ziele anpassen
Pseiner verwies darauf, dass Österreich mit 2,81 Prozent des BIP nur geringfügig weniger für Forschung aufwendet als Deutschland (2,92 Prozent). Im Innovations-Ranking der EU liege Deutschland allerdings nicht auf Platz zehn, sondern auf Platz drei. Einen Hauptgrund sieht er darin, dass es in Österreich nicht so gut gelinge, über öffentliche Mittel private Investitionen in die Forschung auszulösen, oder die Ergebnisse von Forschung in den Markt zu bringen. Man müsse gezielt Maßnahmen setzen, um besonders Klein- und Mittelbetrieben dabei zu helfen, andernfalls drohe ein Verlust von Arbeitsplätzen, sagt Pseiner.
Während Österreich 2002, als die FFG ihre Tätigkeit aufnahm, noch 1942 forschende Unternehmen zählte, waren es 2011 schon deren 3384. In der Forschung hatten damals 38.894 Menschen einen Arbeitsplatz, heute sind es 61.171. Diese Zahl droht wieder abzufallen, wenn nicht etwas unternommen wird. Doch da angesichts des Hypo-Debakels der Öffentlichen Hand die Reserven ausgehen, fehlen zunehmend Investitionsanreize für Private.
"Damit Forschung sich merklich in der Wirtschaft niederschlagen kann, müssten wir auch mehr Komplementärinvestitionen tätigen. So reicht es etwa im Bereich der Informationstechnologien nicht, wenn Grundlagenforscher eine revolutionäre Software erfinden. Sondern es braucht auch Ausbildung, Hardware, Produktionsprozesse und Marketing", sagt Forschungsökonom Andres Schibany vom Institut für Höhere Studien: "Vermutlich müssen wir die Ziele anpassen. Quoten alleine reichen nicht. Nicht nur mehr ist besser."