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Frankreich: Reduzierte Mehrwertsteuer in der Gastronomie gilt als Flop. | Die Menükarten wurden nur zum Teil überarbeitet. | Paris. Seit Juli profitieren französische Gastronomen und Hoteliers von einem deutlichen Steuernachlass um gut 14 Prozentpunkte. Kunden und Beschäftigte spüren davon bislang allerdings wenig. Und die versprochenen neuen Arbeitsplätze gibt es auch noch lange nicht.
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Jahrelang hat Frankreich darum gekämpft, die Mehrwertsteuer im Hotel- und Gastronomiegewerbe senken zu dürfen. Nachdem die EU-Finanzminister im Frühjahr einer Reduzierung des Satzes zugestimmt hatten, nutzte die französische Regierung denn auch die erste Gelegenheit und senkte im Juli die Mehrwertsteuer für Gastronomen und Hoteliers von 19,6 auf 5,5 Prozent.
Doch nach gut fünf Monaten ist die Bilanz ernüchternd: Das Steuergeschenk für Hoteliers und Gastronomen ist ein Flop, der die ohnehin klamme Staatskasse jährlich drei Milliarden Euro kostet. Deshalb hat der Senat bereits mit einer Rücknahme gedroht. Woraufhin Präsident Nicolas Sarkozy beruhigte: Dazu werde es nicht kommen, er halte sein Versprechen. Beobachter vermuten, mit diesem Treueschwur habe er vor allem die Regionalwahlen im März im Hinterkopf.
Versprechen gebrochen
Die Enttäuschung wäre geringer, hätte sich nicht die Branche zu Zugeständnissen bereit erklärt, von denen man sich eine Ankurbelung der Konjunktur versprach. Die Nachlässe würden an die Kunden weitergegeben, hieß es, die Löhne der Beschäftigten erhöht, die Betriebe modernisiert und 40.000 neue Arbeitsplätze in den kommenden zwei Jahren geschaffen.
Allerdings ist der Vertrag, den die Verbände mit der Regierung unterzeichnet hatten, nicht bindend. Nur wenn die Gastwirte offen mit Senkungen werben, sind sie auch dazu verpflichtet. Hinzu kommt, dass viele von ihnen die Branchenverbände grundsätzlich meiden.
Und so sanken die Rechnungen laut dem Statistik-Amt "Insee" um kaum merkliche 0,2 Prozent statt der versprochenen drei Prozent. Den Slogan "Die Mehrwertsteuer sinkt - die Preise auch" übernahmen vor allem größere Restaurant-Ketten. Doch sie überarbeiteten nicht ihre komplette Menükarte, sondern bieten nur eine Auswahl an Speisen und nicht-alkoholischen Getränken günstiger an. Jedes zweite Lokal verweigerte sich dieser Selbstverpflichtung ganz. Verbandspräsidentin Christine Pujol erklärte, viele sehen keinen Handlungsbedarf, da sie die Steuer-Senkung lediglich als "Ende einer Steuer-Ungerechtigkeit" empfinden.
Kaviar wurde billiger
Auch die Ankündigung, 40.000 neue Jobs zu schaffen, war einem Bericht des französischen Rechnungshofs zufolge allzu optimistisch: Er geht langfristig von lediglich 6000 neuen Stellen aus. Die Forderung der Regierung, die Lohnversprechen in neuen Tarifverträgen festzuhalten, ist ebenfalls noch nicht erfüllt. Auf eine Erhöhung der Angestellten-Gehälter um sechs Prozent und eine jährliche Prämienzahlung von 400 Euro pro Jahr ließen sich nach zähen Verhandlungen nur zwei der fünf Gewerkschaften ein. Die Dauer-Debatte hat zwischen den Verbänden, die uneins sind, tiefe Gräben geschlagen; ganz zu schweigen vom großen Ansehensverlust der Branche, der man vorwirft, ihre Versprechen nicht zu halten.
So manch cleverer Geschäftsmann weiß die Senkung allerdings für Werbe-Aktionen zu nutzen. So bietet das Pariser Luxus-Restaurant La Tour-Maubourg den Kaviar nun zum Schnäppchen-Preis an: 50 Gramm sind künftig für 141,10 Euro statt 160 Euro zu haben. Zumindest Genießer des Edelproduktes können profitieren.