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Das Versagen

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert.

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Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Ausländerhasses und der Angst vor Flüchtlingen. Während Europas Bürger darüber nachdenken sollten, wie sie die Zukunft meistern - Stichwort: Energiewende, IT- und Biotech-Revolution, Robotics und Klimawandel - fürchten sich die Menschen in Österreich und anderswo lieber halb zu Tode. Der hyperventilierende Boulevard und Inkompetenz vermittelnde Politiker assistieren bei Ausbreitung dieser kollektiven Angstneurose.

Europas Politiker trifft eine nicht unbedeutende Mitschuld an der Misere: Der damalige britische Premier Tony Blair hat die desaströse US-Intervention im Jahr 2003 im Irak - samt der Destabilisierung Syriens - tatkräftig unterstützt. Und dem britischen Premier David Cameron und seinem französischen Counterpart Nicolas Sarkozy war der Sturz des libyschen Diktators Muammar Gaddafi und die Bombardierung Libyens 2011 ein Herzensanliegen.

Als es dann darum ging, dem Irak Stabilität zu bringen oder Libyen wieder auf die Beine zu helfen, war von Großbritannien oder Frankreich (nun unter Präsident François Hollande) wenig bis nichts zu erwarten. Europas Politiker haben also zugesehen oder mitgewirkt, wie die Amerikaner den Nahen Osten in Brand gesteckt haben. Im Fall von Libyen haben Großbritannien und Frankreich gegen den Willen Deutschlands und begleitet von US-Skepsis selbst mitgezündelt.

Dass die politische Klasse Europas sich nun ganz entsetzt zeigt, dass Zigtausende Menschen nun aus den Brandherden des Nahen Ostens zu flüchten versuchen, grenzt an Hohn. Denn das Versagen Europas ist in mehrfacher Hinsicht offenkundig. Erstens: Europa hat keine koordinierte Nahostpolitik. Der Kontinent müsste jedes Interesse daran haben, dass an den Rändern der europäischen Einflusssphäre Stabilität herrscht. Zweitens: Europa hat keine koordinierte Politik, die dafür Sorge trägt, dass der Flüchtlingsstrom für die von den Fluchbewegungen betroffenen Länder bewältigbar bleibt. Drittens: Europa fehlt eine schlagkräftige Notfalleinheit, die an den Randzonen Europas humanitäre Hilfe leistet. Viertens: Europa fehlen Politikerinnen und Politiker mit Profil, die dem europäischen Elektorat das Gefühl vermitteln, dass Probleme bewältigbar sind und den Menschen das Gefühl der Sicherheit vermitteln, dass die "da oben" schon wissen, was sie tun. Genau darum geht die Angst um.