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Steigende Schulden erhöhen Privatisierungsdruck. | Länder-Potenzial schwer einschätzbar. | Euphorie ist verflogen. | Wien. Die Wirtschaftskrise lässt die Budgetdefizite explodieren - noch ehe die Krise überwunden ist, wird diskutiert, wann und wie die enorm steigenden Staatsschulden abgebaut werden können. In Österreich hebt der Rechnungshof den Zeigefinger ebenso warnend wie der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, IHS-Chef Bernhard Felderer: Der Rechnungshof kritisiert rückblickend schon das Jahr 2007 mit einer Ausgabensteigerung um 11 Prozent gegenüber einem Wirtschaftswachstum von nur 4,5 Prozent - noch vor der Krise.
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Wirtschaftsforscher Felderer warnt: Fast 200 Milliarden Euro wird der Schuldenberg von Bund, Ländern und Gemeinden heuer erreichen. Und die Schulden werden bis 2011 auf 80 Prozent des BIP, also der gesamtwirtschaftlichen Leistung, anwachsen.
Ein Teil des Schuldenberges wird durch Rückzahlungen aus dem Titel Bankenhilfe abgetragen. Ein heißer Tipp für eine künftige Re-Privatisierung ist der Gemeindenfinanzierer Kommunalkredit, der Ende 2008 durch Notverstaatlichung vor dem akuten Kollaps gerettet werden musste. Dafür müssen freilich die Problempapiere in eine Art "Bad Bank" verbannt werden - wozu die EU noch kein Okay gegeben hat.
Obwohl Rezepte für den Defizitabbau gefragt sind, verhält sich die Politik derzeit bei Privatisierungen eher still. Sie dürfen laut EU zwar nicht für den Defizitabbau eingesetzt werden, können aber - als Einmaleffekte - den Schuldenberg etwas abtragen.
Infrastrukturaufgaben erschweren den Verkauf
Welches Vermögen wäre vorhanden? Die Staatsanteile an Post, Telekom, OMV und Verbund wären nach aktuellen Kursen rund 10 Milliarden Euro wert.
Günter Artner, Analyst in der Erste Bank, meint, gemessen am Börsenumfeld könnte man ab 2010 an weitere Privatisierungen denken. Dann hätten nämlich auch private Anleger wieder mehr Appetit auf Aktien.
IHS-Chef Bernhard Felderer gibt zu bedenken, dass die Post im derzeitigen Zustand nicht gerade eine attraktive Braut sei - und auch die Zukunft könnte düster aussehen: Die Aufgaben, die die Post durch die Universaldienstverordnung hat, also jeden Brief auch in die entlegendsten Gegenden zu bringen, können derzeit durch das Briefmonopol finanziell einigermaßen bewältigt werden. Ab 2011 fällt das Monopol aber in zwei Stufen - was danach kommt, ist unsicher.
Ungelöst sei auch die Frage der unkündbaren Beamten bei der Post. Also: "Welche Story erzähle ich dem Investor?"
Grundsätzlich meint der eher liberal eingestellte Wirtschaftsforscher Felderer, man müsse die Aufgabe des Staates im Auge behalten, eine optimale Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Diese Aufgabe stehe einer Totalprivatisierung von Post und Telekom entgegen - das gelte auch für das OMV-Erdgasnetz.
Eindeutige Infrastrukturaufgaben nehmen die ÖBB und die Asfinag wahr. Über eine Teilprivatisierung der ÖBB-Güterverkehrstochter Rail Cargo Austria wird in Fachkreisen nachgedacht, für Verkehrsministerin Doris Bures ist das kein Thema: "Jetzt muss erst einmal der Erwerb der ungarischen MAV verdaut werden", lässt sie ausrichten. Auch bei der Asfinag bleibt die Privatisierungsbremse angezogen.
Im Jahr 2013 kommt der neue Finanzausgleich, mitten in die Konsolidierungsphase. Das könnte jenen Landesfürsten weh tun, die sich bisher nicht als Sanierungsprofis erwiesen haben.
Der Rechnungshof bemängelt, die Länder seien 2008 den Verpflichtungen aus dem Stabilitätspakt gegenüber dem Gesamtstaat nur unzureichend nachgekommen. Müssen die Länder also privatisieren? "Das Vermögen der Länder ist schwer einzuschätzen", meint Felderer.
Einen Anhaltspunkt für die Finanznöte erlaubt die Pro-Kopf-Verschuldung: Sie ist mit 2254 Euro in Kärnten am höchsten, gefolgt von Niederösterreich mit 1699 Euro und Wien mit 870 Euro. Bei Oberösterreich prangt hingegen eine Null.
Wobei Wien sehr viel Vermögen hat, vor allem durch ausgegliederte Betriebe wie Wiener Linien oder Wien Energie. Kärnten hingegen hat schon viel Pulver verschossen, wie beim Energieversorger Kelag oder der Bankengruppe Hypo-Alpe-Adria.
Niederösterreichs Anteile am börsennotierten Energieversorger EVN haben einen aktuellen Wert von 1,14 Milliarden Euro. Für alle Energieversorger gilt jedoch die Verfassungsbestimmung, dass 50 Prozent plus eine Aktie bei der Öffentlichen Hand bleiben müssen. Am Verbund hält die Republik 51 Prozent - allerdings sind darüber hinaus die Landesversorger EVN, Wiener Stadtwerke und die Tiroler Tiwag mit einer Sperrminorität von 25 Prozent beteiligt. Dennoch wollte ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner bis dato nicht am Status des Verbund rütteln.
Mehrfach laut nachgedacht hat Mitterlehner indes über einen Börsengang von Teilen der Bundesimmobiliengesellschaft BIG.
Die Länder sind auch die größten Spitalsbetreiber in Österreich. Wirtschaftsforscher Gerhard Lehner lacht zunächst bei der Frage, was er von der Privatisierung von Spitälern halte. Ganz von der Hand zu weisen sei der Gedanke aber dennoch nicht. Viele Länder haben schließlich bereits eigene ausgegliederte Betreibergesellschaften, und eine Teilprivatisierung könnte - neben dem Einmaleffekt der Geldbeschaffung - einiges an Rationalisierung und Kosteneinsparung bringen.
Felderer ist jedoch skeptisch: Erst müsse Wettbewerbsgleichheit zwischen öffentlichen und privaten Spitälern hergestellt werden. Letztere seien derzeit bei der Kostenerstattung nach der Leistungsorientierten Krankenanstalten-Finanzierung gegenüber den öffentlichen Krankenhäusern benachteiligt. Die Intransparenz der Krankenhausfinanzierung sei für einen privaten Investor unzumutbar - und die Rendite sehr gering.
Vermögensverkäufe vereiteln Einsparungen
Alles in allem: Die Euphorie vergangener Jahre ist verflogen. "Eine Privatisierung soll nicht zur Schuldentilgung eingesetzt werden, sondern nur dann, wenn ein hoher Ertrag zu erzielen ist", so Bernhard Felderer. Derzeit ist das jedoch nicht der Fall.
Gerhard Lehner gibt außerdem zu bedenken, dass nach Einmaleffekten wie Vermögensverkäufen bei den Ausgaben zu wenig gemacht werde.
Fazit: Die Politik macht derzeit Privatisierungspause - bis möglicherweise die Schulden doch zu sehr drücken.
Siehe auch:
Bischöfe des Neoliberalen, Hohepriester der Verstaatlichten
+++ Staatsschulden: In Brüssel schrillen die Alarmglocken