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Skandal um verkaufte Patientendaten liegt auch an Unwissenheit der Ärzte.
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120 Krankenhäuser (von insgesamt 281 in Österreich), 350 Ärzte, 280 Apotheken und nahezu alle Pharmagroßhändler sollen laut "Presse" Medikamentendaten an das Marktforschungsunternehmen IMS Health weitergegeben haben. Für die Verschlüsselung der Daten ist die Softwarefirma Compu Group Österreich zuständig, dieselbe Firma, die auch bei der Elektronischen Gesundheitsakte Elga involviert ist.
1700 Euro sollen Spitäler pro Jahr für den Datensatz erhalten haben inklusive Informationen über den Medikamentenverbrauch anderer Krankenhäuser. 432 Euro soll IMS beteiligten Ärzten für die Datenübermittlung gezahlt haben. Die Spitalsgemeinschaft Vinzenz-Gruppe betonte am Mittwoch, sie habe nur statistische Informationen über den Arzneimittelverbrauch ihrer sieben Ordensspitäler weitergegeben, keine Patientendaten.
Mit den Daten ist das so eine Sache. Einerseits sind die Österreicher gerne bereit, an allen möglichen Kassen ihre Mitgliedskarten vorzuweisen, andererseits reagieren sie sehr empfindlich, wenn ihre Daten von Dritten weitergegeben werden - und das zu Recht. Denn es ist ein gravierender Unterschied, ob man selbst darüber entscheidet, was man von sich preisgibt, oder ob Ärzte und Spitäler das übernehmen.
Wenn Ärzte Daten anonymisiert für Studienzwecke weitergeben, kann das einen gesellschaftlichen Nutzen haben. So hat man in Österreich sehr wenige epidemiologische Grundkenntnisse, es fehlt an Datenmaterial. Im Fall der Datenweitergabe an IMS ist der Nutzen für die Gesellschaft -nicht für Pharmafirmen - äußerst fraglich. Andererseits stellt sich aber auch die Frage, wer Schaden genommen hat. Sehr wahrscheinlich niemand, außer die Informationen gehen nicht nur an die Pharmaindustrie, sondern etwa an Banken.
Schweren Schaden hat dagegen das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient genommen. Und das - gelinde gesagt - wegen der Unwissenheit mancher Ärzte. Was die Patientendaten betrifft, so ist der Patient der Eigentümer, der Arzt/das Spital der Besitzer. Dass Mediziner für 432 Euro Zusatzeinkommen im Jahr Daten auf fragwürdigem Weg weitergeben und damit ihre gesamte berufliche Existenz gefährden, sollte man nicht annehmen. Wäre dem so, müsste man die Fähigkeit zur Ausübung des Berufs infrage stellen. Auch ein ärztlicher Direktor eines Krankenhauses mit einem Jahresbudget von mehreren hundert Millionen Euro wird seine Karriere nicht wegen 1700 Euro Zusatzeinkommen für das Krankenhaus aufs Spiel setzen.
Die Frage ist, wie wurde den Ärzten schmackhaft gemacht, dass sie sich in ihrem PC quasi einen Trojaner installieren lassen, der Daten für Marktforschungszwecke absaugt. Bei der Unwissenheit über den Umgang mit Daten steht die Ärzteschaft in einer Reihe mit der Mehrheit der Österreicher. Kriminelle Energie muss man dahinter keine vermuten, schon eher Unkenntnis
Kontraproduktiv könnte sich dieses Desinteresse am Umgang mit heiklen Patientendaten auf Elga auswirken. Diese soll ja im kommenden Jahr starten - und eine große Menge sensibler Daten wird gesammelt werden. Wäre gut, wenn die handelnden Personen dann mit höherer Sensibilität gegenüber der Datensicherheit vorgingen. Sehr wahrscheinlich, dass sich dieser Datentransfer noch zu einem veritablen Skandal ausweitet - wenn nämlich Namen von Akteuren bekannt würden. Die Wiener Ärztekammer hat ja bereits Anzeige gegen IMS Health und die Compu Group nach dem Datenschutzgesetz erstattet. Auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft interessiert sich für den Fall.