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Das Vertrauens-Problem der Volkspartei

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Die ÖVP will wieder mit Wirtschaft punkten. Dabei steht ihr die Vergangenheit im Weg.


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Wer in Österreich das Risiko auf sich nimmt, anstelle des relativ sicheren Angestelltendaseins die Selbständigkeit zu wählen, dem dankt die Republik das gleich doppelt: erstens mit bürokratischen Behelligungen und Schikanen sonder Zahl und zweitens mit geradezu unanständig hohen Abgaben und Steuern auf den allenfalls erwirtschafteten Ertrag. Es überrascht daher nur wenig, wenn sich die hunderttausenden Selbständigen zunehmend als die Deppen der Nation verstehen, deren Interessen niemand vertritt.

Tief zurück im vergangenen Jahrtausend hatte noch die ÖVP bis zu einem gewissen Grad die Interessen dieses unternehmerischen Mittelstandes vertreten; doch spätestens mit Frau Mikl-Leitners "Her mit dem Zaster, her mit der Marie"-Sager ist die tiefe Entfremdung zwischen der ehemaligen Wirtschaftspartei ÖVP und den Wirtschaftstreibenden evident geworden. Der neue ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner dürfte freilich begriffen haben, dass seine Partei da ein ziemliches Manko hat und er lässt daher kaum eine Gelegenheit aus, dieser bisher herzlos vernachlässigten Klientel das Gefühl zu geben, durchaus geschätzt zu sein.

Er hat dabei freilich ein kleines Problem: Die diesbezügliche Glaubwürdigkeit der ÖVP ist mittlerweile arg ramponiert. Wenn etwa Wirtschaftsklammer-Chef Christoph Leitl (ÖVP) laut kritisiert, dass "die Bürokratie ein Monster geworden ist, das die Wirtschaft lähmt" und "schikanöse Bestimmungen" beklagt, die "Betriebe an den Rand der Pleite" führen, dann spricht er damit zweifellos allen kleinen Unternehmern aus der Seele. Er und die ganze ÖVP müssen sich da aber schon die Frage gefallen lassen, ob die seit Jahrzehnten an der Regierung beteiligte ÖVP nicht vielleicht auch so ganz am Rande damit zu tun hat, dass "die Bürokratie ein Monster geworden ist". Der Opposition wird man diesen Umstand ja nicht wirklich umhängen können.

Ganz Ähnliches gilt natürlich auch für die obszön hohe Abgabenlast, mit der die Selbständigen des Landes den überbordenden Staatsapparat finanziell am eher komfortablen Leben erhalten dürfen. So inhaltlich zutreffend die jüngsten Klagen der ÖVP-Führung über diese finanzielle Unannehmlichkeit sind, so dringend stellt sich im gleichen Atemzug die Frage, ob die ÖVP in den vergangenen Jahrzehnten nicht doch den einen oder anderen Finanzminister gestellt hat, der dann ohne mit der Wimper zu zucken den Selbständigen die Steuerschraube noch einen Tick enger gedreht hat. Es ist jetzt noch nicht einmal ein Jahr her, dass die Regierung - ursprünglich durchaus mit Zustimmung der ÖVP - den Selbständigen ihr Äquivalent zur steuerlichen Begünstigung des 13. und 14. Monatsgehaltes bei Angestellten einfach streichen wollte; ein in der Tat beeindruckendes Zeichen der Wertschätzung den Selbständigen gegenüber. Es wird angesichts dieser Tatsachen für Mitterlehner eher schwierig, die ÖVP wieder glaubwürdig als politische Heimat unternehmerischer Menschen zu positionieren.

Österreichs Selbständige erwarten von der Politik im Grund nur zweierlei: nicht weiter von bürokratischen Schikanen daran gehindert zu werden, Geld zu verdienen - und anschließend nicht ausgepresst zu werden wie eine Zitrone. Wenn Mitterlehner nicht bald einlöst, was die ÖVP derzeit verkündet, werden sich die Selbständigen auch weiterhin als Deppen der Nation fühlen, und zwar zu Recht.