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Die Schattenseite des strahlenden arabischen Frühlings: Jene Staaten, die sich im Übergang zur Demokratie befinden, werden wohl in den nächsten Jahren ernste wirtschaftliche Problemen haben.
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Wenn die Araber und ihre Freunde im Westen es nicht klug angehen, droht ein Chaos in den Revolutionsländern. Um sich die Ausmaße der wirtschaftlichen Herausforderungen vor Augen zu halten, muss man nur an den Marshall-Plan denken und mehrere erschwerende Faktoren dazurechnen: Die USA und viele der europäischen Staaten, die das Programm finanzieren müssten, können sich das nicht leisten, und die neuen Demokratien haben noch keine Regierung, die eine solche Unterstützung handhaben könnte (und werden vermutlich auch nicht so schnell eine bekommen). Noch dazu nehmen die Araber Hilfe meist nur ungern an, besonders wenn sie mit den USA zu tun hat.
Aber auch das ist noch nicht alles: Viele der Maßnahmen, die bei der Bevölkerung gut ankommen und die durchaus politisch ihre Vorteile haben, erweisen sich als schlechte Wirtschaftspolitik. Der öffentliche Bereich ist in Ländern wie Ägypten oder Tunesien jetzt schon zu groß. Der Druck, ihn noch mehr auszuweiten, wird aber umso gewaltiger, je mehr die Wirtschaftskrise sich verschärft.
"Wie kann man wirtschaftliche Reformen vorantreiben, ohne dass dem Staat dabei eine zu große Rolle zufällt? Vor dieser Herausforderung stehen Ägypten und andere arabische Staaten jetzt", sagt Marwan Muasher, Vizepräsident der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden und ehemaliger Außenminister von Jordanien.
Die wochenlangen Proteste in Nordafrika haben die dortige Wirtschaft in manchen Bereichen fast zum Stillstand gebracht. Die Produktion ruhte, Geschäfte und Banken waren geschlossen, Touristen stornierten ihre Buchungen. Die Weltbank sagt, sie habe für Ägypten noch keine verlässlichen Prognosen, weil die ägyptischen Beamten noch nicht dazugekommen seien, die Unterlagen fertigzustellen.
Mit den Auswirkungen der Revolten auf die Wirtschaft beschäftigt sich George Abed vom Institute of International Finance.
Er prognostiziert wenig Wachstum und hohe Budgetdefizite. Wie kann man den Zusammenbruch verhindern? Hilfreich wäre eine multilaterale Version des Marshall-Plans. Die USA können dabei aber nicht erste Wahl sein, denn sie haben nicht genug Geld.
Es gäbe aber eine Lösung für dieses Problem. Ich spreche von der European Bank for Reconstruction and Development (der europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung), die vor zwanzig Jahren zur Unterstützung der Entwicklung in Osteuropa gegründet wurde und nun bereit wäre, die neue Aufgabe in Arabien zu übernehmen, wie der Präsident der Bank, Thomas Mirow, versichert.
Die jungen arabischen Demokratien haben dieselben Probleme wie früher die Staaten in Osteuropa, meint Mirow: "Wenig Privatwirtschaft, schwache Klein- und Mittelbetriebe, mangelnde Infrastruktur." Seine Bank hat das Wissen - und das Geld. Für Ägypten sieht Mirow 1,4 Milliarden US-Dollar vor und die doppelte Summe für die anderen betroffenen Staaten.
Die jungen Revolutionäre sagen, sie möchten Teil der mediterranen Welt sein und in kultivierten, wohlhabenden Staaten mit freien politischen Systemen leben. Der Übergang dorthin wird steinig werden, weil das Fundament so schwach ist. Es gibt aber durchaus kreative neue Wege, um für Stabilität und Fortschritt zu sorgen. Und nicht alle tragen das Zeichen "Made in America".
Übersetzung: Redaktion Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post". Originalfassung