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Das Volk ist zurück auf der politischen Bühne

Von Simon Rosner

Politik

Hofer verfolgt einen radikalen Ansatz der direkten Demokratie, Van der Bellen ist hier skeptisch - wie mittlerweile auch die Grünen.


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Wien. Das "Volk" ist als Kampfbegriff in die politische Diskussion zurückgekehrt, besonders infolge der Aufräumarbeiten nach der verheerenden Wirtschaftskrise, egal ob im Süden Europas, in den Vereinigten Staaten, in Deutschland oder Österreich.

Während aber in Spanien die neue Linke (Podemos) den Begriff für sich reklamiert und in den USA die Occupy-Bewegung mit dem Slogan "We are the 99 percent" vor die Wall Street zog, scheint sich hierzulande die FPÖ die Deutungshoheit gesichert zu haben. Die Freiheitlichen haben sich erst kürzlich den zweiten Teil des ersten Artikels des Bundes-Verfassungsgesetzes auf die eigenen Fahnen geheftet. Als Parteichef Heinz-Christian Strache vor dem Nationalfeiertag eine Rede zur Lage der Nation hielt, stand vor ihm auf rot-weiß-rotem Hintergrund: "Das Recht geht vom Volk aus."

Auch Norbert Hofer präsentiert sich im Wahlkampf als der Kandidat des "Volkes" und für das "Volk". "Wenn Ihr mir Eure Stimme gebt, dann gebe ich Euch Eure Stimme zurück", sagte Hofer im Mai bei einer seiner Wahlveranstaltungen. Die Stärkung und Propagierung der direkten Demokratie ist einer seiner Kernforderungen, damals wie heute, wobei sein Ansatz und jener der FPÖ radikal ist. "Ein Bundespräsident darf als echter Demokrat niemals Angst vor einer Volksabstimmung haben", so Hofer.

In der seit Jahren laufenden, zuletzt aber auf Eis liegenden Diskussion über eine Demokratiereform hatte die FPÖ gefordert, dass Volksbegehren mit mehr als 250.000 Unterschriften automatisch zu einer Volksabstimmung führen müssen. Dies wäre bei 21 von insgesamt 38 Volksbegehren in Österreich der Fall gewesen.

Abstimmung über Todesstrafe?

Und es wäre ein Wandel von der repräsentativen zur plebiszitären Demokratie, also eine elementare Staatsreform. Für diese bräuchte es laut dem Verfassungsrechtler Heinz Mayer eine Volksabstimmung, davor allerdings auch ein mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossenes Verfassungsgesetz. Realistisch ist dies also nicht.

Auch wenn die FPÖ mit diesem Wunsch nicht allein war. In der ÖVP war es allerdings in erster Linie Sebastian Kurz, der den Ausbau der direkten Demokratie forcierte, er stellte damals aber klar, dass das Volk nicht zu Themen befragt werden dürfe, die "die Grund- und Menschenrechte tangieren, bei völkerrechtlichen Verträgen und beim EU-Primärrecht". Der Rest der ÖVP war damals jedoch ebenso wie die SPÖ skeptisch bis dezidiert dagegen.

Die Grünen wollten bei der Reform anfangs sehr weit gehen, zögerten dann aber zusehends bei der Kernfrage, ob es einen direkten Weg vorbei am Parlament für Gesetze geben sollte. Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen war und ist grundsätzlich ein Skeptiker direkter Demokratie, er will sie nur in Form vermehrter Bürgerbeteiligung auf lokaler Ebene fördern.

Am Donnerstag antwortete nun Hofer in einem Fragebogen der APA, ob er auch Volksabstimmungen zulassen würde, die der Menschenrechtskonvention widersprechen, wobei taxativ die Todesstrafe angeführt wurde: "Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen ein gutes Gespür dafür haben, welche Themen für direkt-demokratische Abstimmungen geeignet sind und dass die Wiedereinführung der Todesstrafe nicht mit unseren Werten vereinbar ist." Hofer stellte später klar, dass er strikt gegen die Todesstrafe sei, als Präsident könne er aber eine Volksabstimmung nicht unterbinden, sollte sie vom Nationalrat beschlossen werden.

Dem widerspricht Verfassungsrechtler Mayer: "Der Bundespräsident darf sie gar nicht anordnen, wenn er der Meinung ist, dass sie klar verfassungswidrig ist." Und das, so Mayer, sei hier eindeutig der Fall.