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Das Volk will keine Volksgaragen

Von Werner Grotte

Politik

Rund 700.000 Privat-Pkw verstauen derzeit die Wienerstadt. Tendenz: weiter steigend. Und nachts sind manche Bezirke trotz Parkraumbewirtschaftung schon längst hoffnungslos zugeparkt. Die Stadt Wien reagierte darauf mit einem großzügigen "Garagenprogramm", durch das seit 1994 rund 50.000 Stellplätze und 5.800 Park & Ride-Plätze geschaffen wurden. Bei den speziell für Dauerparker vorgesehenen und großzügig geförderten 26 "Volksgaragen" stoßen die Stadtplaner allerdings zunehmend auf - teils massive - Gegeninitiativen.


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"Sie wollen uns weismachen, wieviel Auto-Stellplätze der Bezirk noch braucht - wir hingegen fragen, wieviele Bäume hier in Margareten fehlen", brachte es eine aufgeregte Aktivistin bei der "Bürgerversammlung" gegen das Volksgaragenprojekt im Bacherpark am Montag auf den Punkt. Hier läuft gerade das Flächenwidmungs-Änderungsverfahren zwecks Errichtung einer 200 Autos fassenden, dreigeschossigen Tiefgarage. Argumentation von Bezirks- und Stadtvätern: Das Grätzel sei laut Frequenzzählung speziell nachts mit 110 Prozent völlig überparkt, es sei noch kein Ende der steigenden Neuzulassungen in Wien absehbar, Anrainer leiden unter den permanent per Auto kreisenden Parkplatzsuchern.

Anrainer nicht gefragt

Die Anrainer mit Ex-ORF-Gereral Teddy Podgorsky an der Spitze sehen das anders und haben bereits über 1.800 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt. "Sie argumentieren, dass diese Garage für die Dauerparker hier gebaut wird, fragen uns Anrainer aber nicht, ob wir das überhaupt brauchen und wollen", beklagen die Gegner. Die Frequenzzählungen seien unseriös durchgeführt, die Parkplatzsituation gar nicht so schlimm. Und zwei Jahre Bauzeit mit Lärm, Gestank und der drohenden Fällung von 26 Bäumen wären ein viel zu hoher Preis für Parkplätze. Zudem wäre der Unterricht in der angrenzenden Schule in dieser Zeit schwer beeinträchtigt, der Park als Naherholungsraum für jung und alt kaputt.

Der Bacherpark ist nur symptomatisch für eine ganze Bewegung: Neben Margareten wehren sich derzeit Bürgerinitiativen in Neubau (Ahornergasse; trotz Grüner Bezirksvorstehung), Hietzing (Steinitzhof), Penzing (Schützpark, Matznerpark) und der Leopoldstadt (Manes Sperber-Park) gegen "Volksgaragen"-Projekte, die fast ausnahmslos unter Parks geplant bzw. bereits gebaut sind. In Landstraße (Rudolf v. Alt-Platz) wurde das Projekt nach Bürgerbefragung abgeblasen, im 9. Bezirk (Sensengasse) konnten engagierte Anrainer entscheidende Änderungen herbeiführen. Hauptvorwürfe sind - neben den erwähnten Beeinträchtigungen durch eine jahrelange Großbaustelle - die darauf folgende "Zubetonierung" der in den verkehrsgeplagten Bezirken ohnehin seltenen Baum-Oasen und die allzu großzügige Förderung durch die Stadt Wien.

21.802 Euro pro Stellplatz

Das System funktioniert so: Der private Garagenbauer und spätere Betreiber bekommt von der Stadt Wien einen zinsfreien Kredit auf 40 Jahre. Im Schnitt sind das zwischen vier und fünf Millionen Euro für eine "typische" Volksgarage mit 160 bis 200 Stellplätzen, denn jeder Platz wird mit 21.802 Euro gefördert. Das Geld dazu kommt aus der zweckgebundenen Parkometerabgabe. Der Betreiber verpflichtet sich dafür, zehn Jahre lang den festgesetzten Tarif von 72,5 Euro pro Monat und Dauerparker zu garantieren, danach kann er frei agieren.

"Autos werden damit doppelt so hoch gefördert wie Wohnbau", kritisiert Wiens Grüner Umweltsprecher Rüdiger Maresch, "und nach diesen zehn Jahren können die Garagenbetreiber die Preise beliebig in die Höhe schrauben". Umgekehrt werde rund um solche Garagen "nicht einmal annähernd soviel Parkraum, wie man unterirdisch schafft, oben wieder in Lebensraum zurückverwandelt". Die frei werdenden Plätze gingen schleichend an Einpendler oder Sparefrohs. Insgesamt entstünde so genau das Gegenteil dessen, womit die Stadtplaner die Garagenbauten rechtfertigen: Nämlich mehr statt weniger Verkehr.

Große Zusammenhänge

Wiens Garagenkoordinator Alfred Theuermann lässt sich so nicht leicht aus der Ruhe bringen: "Ich verstehe, dass Anrainer solcher Parks keine Baustellen vor dem Fenster wollen - aber wir leben nun einmal in der Großstadt. Und das bedeutet bis zu einem gewissen Grad eben Verkehr, Lärm und auch Baustellen". Aber bei allen Projekten werde größter Wert auf Schonung der Natur und Wiederherstellung der Spielplätze nach "modernsten Erkenntnissen" gelegt. Theuermann ist ein "alter Hase" in der Stadtbaudirektion und hat am "Masterplan Verkehr" der Stadt Wien entscheidend mitgearbeitet. "Man muss die Zusammenhänge sehen, und wir haben sehr wohl seriöse Stellplatzuntersuchungen, die belegen, dass vor allem die Bezirke 5, 6, 7, 8 sowie die Gründerzeitbezirksteile außerhalb des Gürtels stark überbucht sind".

Gegen teure Privatbetreiber

Deshalb seien seit in den letzten zehn Jahren rund 200 Garagen mit 55.000 Stellplätzen entstanden. Dazu gebe es sieben Park & Ride-Standorte mit derzeit 3.750 Plätzen, die bis 2010 auf 15 Standorte mit rund 14.000 Plätzen vor allem für Einpendler ausgebaut werden. Flankierend baue man an den sogenannten "Volksgaragen", von denen es bereits sieben mit insgesamt 1.500 Plätzen gebe, vier (980 Plätze) sind im Bau, 15 in Planung. Diese insgesamt 2.500 Tiefgaragen-Parkplätze stünden weitgehend den unmittelbaren Anrainern zum Dauerparken zur Verfügung und sollen durch ihren einheitlichen Niedrigpreis von 72,5 Euro die bis zu doppelt so teuren Privatbetreiber zunehmend zu Preissenkungen zwingen. So gesehen wären die von Kritikern befürchteten Preissteigerungen nach Ablauf der Frist in zehn Jahren kein Thema mehr. Theuermanns wohl gewichtigstes Argument: "Alle Volksgaragen sind ausgebucht - selbst die noch im Bau befindlichen". Preis- und Standort-Details:

http://www.mobil-in-wien.at .

http://www.parkeninwien.at .

http://www.baeume-statt-garage.psido.at .