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Die erste Befragung der Wahlbeisitzer durch die Verfassungsrichter hat eines klar gezeigt: Vermutlich wurde keine einzige Wahl der vergangenen 25 Jahren dem Buchstaben des Gesetzes entsprechend ausgezählt. Vielfach haben Beamte jenen Job erledigt, den eigentlich die (ehrenamtlichen) Mitarbeiter von politischen Parteien zu leisten hätten - und zwar aller politischen Parteien. Das bedeutet nicht Wahlbetrug. Es wurde nur ganz gerne der schnöde Job der Stimmenauszählung und ihrer Abläufe Beamten überlassen.
Zu einem erheblichen Teil ist an dieser augenzwinkernden Methode der Gesetzgeber selbst schuld. Welche Informationen exakt an politische Funktionäre weitergegeben wurden, sei dahingestellt. Wer das Bundesgesetzblatt zum Wahlrechtsänderungsgesetz 2015, das seit heuer gilt und am 28. Dezember 2015 veröffentlicht wurde, liest und auf Anhieb versteht, verdient höchste Ehrungen. Ohne exakte Kenntnis der jeweiligen Wahlordnung ist dies schwierig. Und wie könnte es im föderalen Österreich anders ein: Es gibt sehr viele Wahlordnungen.
Also tut der gelernte Österreicher das, was er immer tut, wenn die Republik komplizierter wird als die physikalische Grundordnung des Universums: Er vereinfacht. Die Unterschiede von Gemeinderats-, Landtags-, Nationalrats-, EU- und Präsidentschaftswahl werden schlicht negiert. Der kleinste gemeinsame Nenner heißt: Zuständige Beamten sollen den Job gleich ganz machen.
Wahlbeisitzern, die einem Brotberuf nachgehen und an Wahlsonntagen Freizeit opfern, ist es auch nicht zumutbar, alle Verästelungen zu kennen. Nur eine Handvoll Beamte im Innenministerium werden diesen Überblick noch haben.
FPÖ-Beisitzer daher nun wegen der Wahlanfechtung ihrer Partei strafrechtlich zu verfolgen, ist schlichter Unsinn. Politische Funktionäre und Behörden haben aus dem gesetzlichen Labyrinth eine Gerade gemacht. Und diese Gerade führte zu exakten Wahlergebnissen, sonst hätte es wildere Ausschläge geben müssen in den vergangenen 25 Jahren. Hat es aber nicht.
Eine Wiederholung der Stichwahl zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer wäre daher ebenso sinnlos. Denn bei künftigen Wahlen wird es nicht anders sein, außer alle Wahlordnungen werden radikal vereinfacht. Das ist im föderalen Volkstheater Österreich unmöglich, weil sonst niemand mehr das Stück verstehen würde . . .