Strache versuchte noch am Vormittag, der Partei zuvor zu kommen. Vergbeblich: Der FPÖ-Bundesparteivorstand zog die Konsequenzen aus der Spesenaffäre.
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Es klang wie ein letztes Friedensangebot, was Heinz-Christian Strache am Dienstagvormittag in der Weinbar "Vino" in der Lichtenfelsgasse den Journalisten, und vor allem seiner Partei präsentierte. Keine zehn Minuten dauerte sein Statement, danach wollte Strache keine Fragen beantworten ("Vielleicht sieht man sich einmal privat wieder"). Er teile mit, "dass ich meine Mitgliedschaft in der freiheitlichen Partei bis auf Weiteres und bis zur rechtlichen Klärung der Vorwürfe gegen meine Person ruhend stelle". Kein freiwilliger Austritt also, und klar mit einem Hintertürchen, weiter in "der freiheitlichen Familie" bleiben zu können, auf die er sich wie auch umgekehrt in der Vergangenheit immer sehr verlassen haben könne, wie Strache betonte. Aber: Er werde auch "jegliche politische Tätigkeit einstellen" und auch "kein Amt und keine politische Funktion mehr anstreben". Er tue dies alles "mit der Bitte, den "Zusammenhalt weiter hochzuhalten" - und um "eine Spaltung der freiheitlichen Partei zu verhindern". Und vor allem: Er wolle seine Frau und seine Familie schützen, denn das, was diese "in diesen Tagen ertragen mussten, kann kein Familienvater ertragen". Seiner Partei, die am Dienstagnachmittag zuerst zu einer Präsidiums- und dann zu einer Vorstandssitzung zusammenkam, wünschte er "gute Beratungen" nach der Wahlniederlage am vergangenen Sonntag. "Erfolg und Niederlage haben viele Väter", sagte Strache dazu.
Etwas enttäuscht sei er dann doch gewesen, dass niemand von der Parteispitze in den vergangenen Tagen mit ihm geredet habe, obwohl er "schon lange" ein Gespräch gesucht habe. Er bitte zu respektieren, dass er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video und der Spesen-Affäre "nicht öffentlich aufarbeiten" wolle. Um die Vorwürfe zu "entkräften", werde er mit den Ermittlungsbehörden kooperieren, und eben nur mit diesen - seine Gegner ersuchte der ehemalige Vizekanzler, "von weiteren Verleumdungen abzusehen".
Ebenfalls am Dienstagvormittag wurde bekannt, dass Straches Frau Philippa nun doch ihr allfälliges Nationalratsmandat annehmen wolle. Ob sie dieses tatsächlich erhalten wird - es dreht sich laut den Hochrechnern von Sora um weniger als 100 Stimmen -, wird sich erst am Donnerstag zeigen, wenn alle Briefwahlstimmen ausgezählt sind. Das Thema des Nationalratsmandats für seine Frau sprach Strache nicht an. Seine Position scheint dennoch klar: Mit seiner Ankündigung, seine Mitgliedschaft "ruhend" zu stellen und sich aus der Politik gänzlich zurückzuziehen, kam Strache den Parteigremien zuvor - zumindest auf der medialen Bühne und als deutliche Ankündigung, nun einmal still zu sein. Denn eine "Ruhendstellung" der eigenen Mitgliedschaft ist laut neuem Statut nicht möglich.
Am letzten Parteitag in Graz, an dem Norbert Hofer sich offiziell zum neuen Parteichef küren hat lassen, ließ ebendieser sich auch das Recht einer - temporären oder eben endgültigen - Suspendierung in die Statuten schreiben. "Darüber hinaus kann der Bundesparteiobmann oder über dessen Auftrag der geschäftsführende Bundesparteiobmann bei Gefahr in Verzug die Mitgliedschaft eines jeden Parteimitgliedes suspendieren", ist in den bereits veröffentlichten Statuten zu lesen. Spricht der Parteiobmann (oder der geschäftsführende Parteiobmann) eine Suspendierung aus, entscheidet im Falle von Mitgliedern der Bundesparteileitung der Bundesparteivorstand über das Inkrafttreten, bei allen anderen Mitgliedern bedarf sie der unverzüglichen Bestätigung durch den zuständigen Landesparteivorstand. Nachdem Strache am Tag nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos sowohl als Vizekanzler als auch als FPÖ-Parteichef zurückgetreten und damit bis Dienstag nur mehr einfaches Parteimitglied war, obliegt die laut Statut "unverzügliche" Bestätigung einer vom Bundesparteichef ausgesprochenen Suspendierung dem Landesparteivorstand - ebenso wie eine etwaige Aufhebung.
Straches statutenwidrige Selbst-Suspendierung
"Es gibt also nur zwei Möglichkeiten: Entweder Strache ist aus der Partei ausgetreten, oder aber wir erleben eine Scheindiskussion", sagt der Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik vom Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien. Er bestätigt, dass eine "Ruhendstellung" der Mitgliedschaft auch laut neuem Statut nicht möglich ist. Straches ausführliche Betonung des parteiinternen Zusammenhalts und der Vermeidung einer Parteispaltung könnten auch als Botschaft an die Parteiführung gedeutet werden, dass eine - temporäre - Suspendierung das Höchste sei, was er zu akzeptieren bereit wäre. Ein Parteiausschluss könnte durchaus dazu führen, dass Strache es bei der für Herbst 2020 geplanten Wahl in Wien auf eigene Faust versuchen könnte. Diesbezügliche Gerüchte geistern schon seit Tagen durch die Redaktionen, und am Dienstagmorgen, noch vor Straches Statement, tauchte im Netz die ominöse Seite "liste-strache.at" auf. Dort zu sehen: der ehemalige Parteichef vor rot-weiß-rotem Hintergrund. Nach kurzer Zeit ging die Seite allerdings wieder offline - wer konkret hinter der Seite steckt, war unklar.
In Wien verfügt Strache jedenfalls noch über eine beträchtliche Anhängerschaft. Und auch wenn nach dem Spesen-Skandal die Unterstützung der Landespartei inzwischen endenwollend sein dürfte: Ein Alleingang in Wien wäre wohl für die Landespartei ein kommunikatives wie auch wahlpolitisches Desaster.
Für die Bundesparteiführung ist die Situation jedenfalls keineswegs einfach. Zwar überwiegen in der Partei die - immer lauter werdenden - Stimmen, die nach einem umfassenden Neustart verlangen. Die Person Heinz-Christian Strache stellt hier ein enormes Risiko dar - auch wenn dieser sowohl politische Enthaltsamkeit als auch Diskretion bezüglich der ihn betreffenden Ermittlungen gelobte. Man habe nach Ibiza ahnen müssen, dass "die Medien" über "noch mehr Material" verfügen würden, sagte der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl am Wahlsonntag offen zu den Journalisten auf der blauen Wahlparty. Ständig müssen die "Neuarchitekten" der FPÖ nun mit weiteren Enthüllungen und Spesen-Details rechnen.
Am Montagabend schließlich die Entscheidung: Strache wird, bis die Spesen-Vorwürfe geklärt sind, suspendiert. Straches Kalkül, mit seinem Vorgriff einem Parteiausschluss zuvor zu kommen, ist also aufgegangen.
Den oberösterreichischen Parteichef und Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner, immer schon ein Antagonist Straches, ließ dessen Statement am Dienstagvormittag jedoch hörbar kalt. "Es hat sich nichts geändert", sagte er zu den Journalisten vor Beginn der Sitzungen im Wiener Hotel Fleming‘s. Auch Norbert Hofer nahm Straches "Ruhendstellung" nur zur Kenntnis.
Der aus dem dritten Wiener Bezirk stammende gelernte Zahntechniker hat nach der Abspaltung von Jörg Haiders BZÖ die FPÖ 2005 bei Umfragewerten im niedrigen, einstelligen Prozentbereich übernommen und sie innerhalb der folgenden 14 Jahre in Umfragehöhen von 30 Prozent und mehr sowie in die Bundesregierung geführt. Die politische Karriere ist vorerst zu Ende. "Man wird sich irgendwo privat vielleicht wiedersehen", rief Strache den Journalisten zu.