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Das Votum ist lokal - die Folgen reichen weiter

Von Martyna Czarnowska

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Bei den Wahlen im Kosovo wird über mehr entschieden als die Besetzung von Bürgermeisterposten und Gemeinderäten.


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Die Schrift ist kyrillisch. Darunter prangt der weiße Doppeladler. "Hier ist Serbien", wurde in fetten Lettern auf die Mauer des mehrstöckigen Wohnhauses gepinselt. Serbisch ist auch die Sprache, die auf den Straßen rundherum zu hören ist und in der die meisten Zeitungen zu kaufen sind. Nur ein paar hundert Meter entfernt aber, auf der anderen Seite des Flusses Ibar, überwiegt das Albanische, gezahlt wird dort nicht mit Dinar, sondern mit Euro, die Straßen und Lokale sind in lateinischen Buchstaben ausgeschildert. Doch über beide Seiten erstreckt sich die gleiche Stadt, und beide Seiten gehören zum gleichen Land.

Kosovska Mitrovica ist dennoch zerrissen. Die Stadt befindet sich nämlich am Rande des Nordkosovo, wo mehrheitlich Serben wohnen, die - wie die Regierung in Belgrad - die Unabhängigkeit der ehemaligen serbischen Provinz nicht anerkennen. Für die kosovarischen Behörden war es bis vor kurzem fast unmöglich, dort Fuß zu fassen. Parallele administrative Strukturen wurden lange Zeit vom benachbarten Serbien aus finanziert.

Ob diese Pattsituation bald durchbrochen werden kann, wird sich nach den Lokalwahlen am Sonntag zeigen. Erstmals soll dabei auch der Norden des Landes bei dem Votum voll integriert sein. Wie weit die Bevölkerung dort davon Gebrauch macht, ist unklar. Denn die Stimmen, die zum Wahlboykott aufrufen, sind zahlreich.

Belgrad aber reiht sich mittlerweile nicht mehr in diesen Chor ein. Für Serbien steht nämlich - wie für den Kosovo - eine weitere Annäherung an die Europäische Union weit oben auf der politischen Agenda. Dafür ist aber eine Normalisierung des nachbarschaftlichen Verhältnisses die Voraussetzung. Daher wurde in Gesprächen unter EU-Vermittlung vereinbart, nach den Wahlen eine autonome Serben-Gemeinschaft zu etablieren - allerdings innerhalb des kosovarischen Staates. Die Union unterstützt den Prozess auch finanziell: Erst am Donnerstag hat die EU-Kommission verkündet, zusätzliche 15 Millionen Euro für die Stabilisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina zur Verfügung zu stellen. Ansonsten stehen dafür jährlich 65 bis 70 Millionen Euro bereit.

In die Lokalwahlen im Kosovo mit seinen nicht einmal zwei Millionen Einwohnern spielen auf diese Weise nicht nur albanische und serbische Parteienkonflikte hinein, sondern auch länderübergreifende. Für die Demokratische Partei (DPK) von Ministerpräsident Hashim Thaci ist der Urnengang noch dazu eine entscheidende Machtprobe vor der Parlamentswahl im kommenden Jahr. Seiner Fraktion bereiten einerseits Abtrünnige Sorgen und auf der anderen Seite mangelnde Unterstützung der Opposition bei etlichen Vorhaben.

Bei dem Votum am Sonntag wird über die Bürgermeisterposten und Gemeinderäte in insgesamt 36 Gemeinden entschieden. Rund hundert Parteien, Bündnisse und Bürgergruppen haben dafür ihre Kandidaten angemeldet. Die Hälfte davon bilden albanische Listen, serbische gibt es immerhin an die 30. Zumindest deren Vertreter halten von einem Wahlboykott nichts.