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Ein 45-seitiger Leitfaden des Innenministeriums über die Abhaltung einer Wahl; große Aufregung um ein paar schadhafte Wahlkarten - bei der Wiederholung der Bundespräsidentenwahl wird dem verwaltungstechnischen Ablauf des Wahlvorganges mehr Augenmerk eingeräumt als den beiden Kandidaten.
Dass der Wähler seinen Stimmzettel nicht mehr selbst in die Wahlurne werfen darf, sondern ihn dem Wahleiter zu übergeben hat, der ihn dann einwirft, zählt zu den besonderen Blödsinnigkeiten. Was in allen funktierenden Demokratien üblich ist, wird nun in Österreich verboten. Dass der Wahlgang der Kandidaten nicht mehr fotografiert werden darf, weil sich nur noch zugelassene Personen im Wahllokal aufhalten dürfen (also keine Pressefotografen), klingt auch seltsam. Dafür muss der Bürger begründen, warum er eine Wahlkarte beantragt. Geht’s noch?
Wo die Stimme abgegeben wird, hat im mobilen 21. Jahrhundert keine Behörde zu interessieren.
Es sind all diese Beispiele, die untermauern, wie desaströs der Spruch des Verfassungsgerichts tatsächlich war.
Aus einer Wahl, deren Ergebnis niemand in Frage stellte, wird nun ein Bürokratiemonster. Der FPÖ mag das egal sein, sie hat Norbert Hofer eine neue Chance eröffnet, aber Freude an der Teilhabe des demokratischen Geschehens kommt angesichts der vielen Vorschriften nicht auf.
Umso wichtiger ist es wohl, am 2. Oktober dieses Recht erneut auszuüben. Danach sollte die Regierung das Wahlgesetz schleunigst ändern. Während überall auf der Welt E-Voting ausprobiert wird, befindet sich Österreich im Postkutschenzeitalter. 23 verschiedene Drucksorten definiert der Leitfaden zur Wahlwiederholung - Ringordner mit Etiketten inklusive.
Die beiden Kandidaten gehen so in viel Papier unter. FPÖ-Kandidat Hofer bezeichnete die paar schadhaften Kuverts gleich einmal als "unfassbar". Damit bekommt die Sache eine Dimension, die ihr nicht gebührt, denn die Wahlkarten können problemlos ausgetauscht werden. Aber es wird der Eindruck erweckt, als ob Österreich nicht einmal wählen kann.
Ein solcher Generalverdacht hilft nur jenen, die es mit der Demokratie ohnehin nicht so ernst nehmen. Alle gewählten Politiker sollten daher mit ihren Äußerungen dazu besonders vorsichtig sein - der 45-seitige Leitfaden mit Erlass-Charakter ist schon mehr als genug.