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ÖIAG ist nicht mehr allein Herr im Haus der Telekom Austria.
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Wien. "Telekom Austria Group: Schwellenmeldung von América Móvil gemäß § 91ff österreichisches Börsengesetz". Große Umwälzungen kommen oft unverständlich daher. Hinter obigem Satz, der Donnerstag um 17.15 Uhr über die Ticker kam, steckt die Information, dass die Telekom-Firma America Movil des mexikanischen Milliardärs Carlos Slim mehr als 25 Prozent an der heimischen Telekom Austria übernommen hat. Bisher hielt er direkt 22,8 Prozent, nun sind es 26,8 Prozent.
Mit dieser Schwelle sind Kapitalmaßnahmen und gesellschaftsrechtliche Veränderungen bei der Telekom Austria ohne Zustimmung Slims nicht mehr möglich. Bisher war die staatliche ÖIAG mit knapp 29 Prozent als Einzige über dieser Schwelle - und damit recht frei in ihren strategischen Entscheidungen.
Regierung reagierte im ersten Moment hilflos
Bereits seit längerem wurde vermutet, dass Carlos Slim ansetzt, die Telekom Austria zu übernehmen. Die Regierung hat aber weitere Privatisierungen "nur um ihrer selbst willen" erst jüngst ausgeschlossen.
Bei der Telekom Austria ist dies zudem recht schwierig, denn das Außenwirtschaftsgesetz schreibt die Zustimmung der Republik bei Überschreiten von 25-Prozent-Grenzen an bestimmten Unternehmen vor, wenn der Eigentümer aus Nicht-EU-Staaten kommt. Darunter fällt die Telekom, und Mexiko ist nicht in der EU. America Movil versuchte dies mit einem Kunstgriff zu umgehen: Übernehmer der Telekom-Aktien ist offiziell eine Carso Telecom. Sie wird zwar von Carlos Slim kontrolliert, ist aber eine europäische Gesellschaft nach holländischem Recht. Die Zustimmung zur Übernahme muss der Wirtschaftsminister erteilen. Die Sprecherin von Reinhold Mitterlehner sagte Donnerstag Abend zur "Wiener Zeitung": "Wir prüfen die Sache."
Hinter dem knappen Statement steckt die wenig schmeichelhafte Wahrheit, dass die Regierung von diesem Schachzug Carlos Slims schlicht überrascht wurde. Im Büro von Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger musste überhaupt erst recherchiert werden, wer für die Genehmigung des Verkaufs zuständig ist. Das Finanzministerium ist für die ÖIAG zuständig. Und im Bundeskanzleramt war es im Büro von Werner Faymann nicht möglich, eine inhaltliche Stellungnahme zu erhalten, ob die Republik dem Aktienkauf zustimmen wird.
Während also die gerade von der Klausur zurückgekehrte Regierung von Carlos Slim am falschen Fuß erwischt wurde, sorgt der Deal an der Börse für Bewegung. Die Telekom-Aktie stieg am Donnerstag um 1,34 Prozent. Seit Jahresbeginn legte sie von 4,80 auf 6,60 Euro zu, und erst vorige Woche vermutete der Telekom-Betriebsrat, dass America Movil von Slim die ÖIAG als Hauptaktionär überholen würde.
Der mexikanische Unternehmer ist mit einem Vermögen von 73 Milliarden Dollar (nach Forbes-Liste) einer der reichsten Männer der Welt. Erst im Vorjahr hatte die niederländische Regierung ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, als er das dortige Telekom-Unternehmen KPN übernehmen wollte. KPN ist etwa dreimal so groß wie die Telekom Austria. Da bei der Telekom Austria eine Kapitalerhöhung vermutet wird, würde America Movil danach die ÖIAG überholen, da sie kaum über die Kapitalmittel verfügt.
Ist ein Syndikatsvertrag
die Lösung?
Die ÖIAG sagte zur Entwicklung nichts. Die Koalitionsregierung hat sich erst jüngst darauf verständigt, die ÖIAG wieder enger an die Republik heranzuführen - und die Aufsichtsräte selbst zu bestimmen. Derzeit erneuert sich das Steuerungsgremium aus sich selbst, die Industriellenvereinigung zieht die Fäden. Während aber die Telekom Austria davon ausgeht, dass die neuen Machtverhältnisse nichts ändern werden, erwarten Analysten einen nächsten Schritt von Carlos Slim.
Denn bisher hielt der Mexikaner offiziell 22,8 Prozent plus drei Prozent über eine andere Stiftung, die aber nicht zugerechnet werden konnte. Nun kaufte er ein knappes Prozent zu und bündelte die Anteile. "Wenn er nichts mehr vorhat, hätte er es so lassen können, wie es war", sagte ein Banker zur "Wiener Zeitung."
In Investmentbankkreisen wird für möglich gehalten, dass America Movil der ÖIAG vorschlägt, einen Syndikatsvertrag abzuschließen, und beide Anteile zu bündeln. Der würde zwar ebenfalls ein Übernahmeangebot an alle anderen Aktionäre auslösen, aber die Eigentümerfrage in der Telekom Austria langfristig sichern. Carlos Slim hat jedenfalls mit der Bündelung seiner Anteile seine Position der ÖIAG gegenüber gestärkt.
Und - so kurios es klingt - allfälligen Privatisierungsplänen in der Wiener Politik einen Strich durch die Rechnung gemacht: Wenn die ÖIAG jetzt ihre 28,42 Prozent verkaufen wollte, würde sie nur noch den Aktienkurs dafür erhalten. Ein "Paketzuschlag" (um die 20 Prozent) ist seit Donnerstag Geschichte, denn nun kontrolliert Slim mit. In Geld bedeutet das: Die Börse bewertet die Telekom derzeit mit drei Milliarden Euro. Der ÖIAG-Anteil macht also knapp eine Milliarde aus, 20 Prozent davon logischerweise 200 Millionen.