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Die Gesundheitsstadträtin wechselt zu Siemens, das SPÖ-Personalkarussell nimmt Schwung auf.
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Wien. Und es kam dann doch unerwartet: Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely geht. Aus eigenen Stücken, wie sie am Freitag betonte. Sie zieht sich damit nach 20 Jahren gänzlich aus der Politik zurück und wechselt mit April zur Siemens Healthcare GmbH nach Deutschland. Damit ist die erste Entscheidung für den Umbau der Stadtregierung gefallen, den Bürgermeister Michael Häupl wegen der parteiinternen Flügelkämpfe angekündigt hat.
"Zum Jahreswechsel 2015/16 habe ich mir gedacht: Jetzt bis du 45 - mit 50 wirst du nicht mehr Gesundheitsstadträtin sein wollen. Und da war dann die Entscheidung: Okay, dann wird man sich jetzt einmal umschauen", erklärte Wehsely ihre Beweggründe vor Journalisten. Sie sprach allerdings auch von "Beliebtheitsdellen", die sie im "sehr turbulenten ersten Halbjahr 2016" davongetragen habe; auch parteiintern. Zwar habe sie das nie als ein Problem angesehen - sehr wohl aber die "große Kraftanstrengung für die Partei" erkannt. "Daher war für mich ganz klar, dass ich mich nicht mehr so in die Auseinandersetzungen einbringen werde, wie das andere tun", so Wehsely.
Auf die Frage, wie Häupl ihre Entscheidung aufgenommen habe, antwortete die Noch-Politikerin: "Er hat gesagt, es bleibt ihm nichts anderes übrig, als es zur Kenntnis zu nehmen. Er hat Verständnis dafür, weil ich in einem Alter bin, wo 20 Berufsjahre vor mir liegen, und er wünscht mir alles Gute. Er hat dann auch noch dazugesagt: Wennst gfragt wirst, obst tauscht worden bist, dann kannst nein sagen, weil so is."
Doch noch vor der Rücktrittsverkündung ließ es sich Wehsely nicht nehmen, rund 20 Minuten lang Bilanz über ihre Arbeit als Gesundheitsstadträtin zu ziehen. Das Geriatriekonzept, die Gesundheitsreform, das Wiener Mindestsicherungsgesetz, die Neuorganisation der psychiatrischen Betreuung, die Modernisierung der Drogenpolitik oder der neue Vertrag zwischen der Medizinischen Universität und dem Allgemeinen Krankenhaus wurden hier etwa von ihr als Erfolgsprojekte aufgezählt. Für die Zukunft sei von ihr u.a. das Spitals- und Pflegekonzept, die Primär- und ambulante fachärztliche Versorgung sowie der Psychiatrisch-Psychosomatische Versorgungsplan auf Schiene gebracht worden.
Selbstkritik gab es vonseiten Wehselys kaum. Von ihr grundsätzlich getroffene Entscheidungen seien stets die richtigen gewesen, meinte sie. Obgleich manche von diesen vielleicht bedächtiger sein hätten können - "meine Erfahrung in dieser Stadt ist halt: Wenn man bedächtig ist, dann passiert gar nichts", so Wehsely. Dass sie die organisatorische Zukunft des Krankenanstaltenverbunds nicht mehr vorantreiben könne, tue ihr leid, betonte sie.
Opposition erfreut
Die Reaktionen der Opposition ließen im Übrigen am Freitag nicht lange auf sich warten: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprach etwa von einem "Silberstreif", der sich am Horizont abzeichne - Häupl habe lange genug zugesehen, wie die Noch-Ressortchefin das Gesundheitssystem ruiniere. "Der Freitag, der 13. ist ab sofort ein Glückstag für Wien", meinte Wiens ÖVP-Parteichef Gernot Blümel, der den Rücktritt Wehselys auch nicht zuletzt als Verdienst der Stadt-Schwarzen bezeichnete. Und für die Neos berge der Rücktritt eine "Chance für einen Neustart bei den vielen Baustellen im Gesundheits- und Sozialbereich dieser Stadt". Zu Wort meldete sich dann auch noch das Team Stronach. Robert Lugar, Klubchef im Parlament, wertete den Wechsel der Stadträtin zu Siemens als "unethisch". Denn schließlich gebe es ein Naheverhältnis des Unternehmens und den städtischen Spitälern.
Und nicht zuletzt wurde durch den Auftritt Wehselys am Freitag einmal mehr die Personalspekulationsmaschinerie gehörig angefeuert. Denn mit ihrem Abgang wäre nun endgültig der Weg für Wehselys Ehemann Andreas Schieder frei, der immer wieder als möglicher Häupl-Nachfolger genannt wurde. So könnte er etwa bis zur Ablöse Häupls das mächtige Finanzressort von Renate Brauner übernehmen. Was dagegen sprechen dürfte, ist die Tatsache, dass Finanzstadträte nie besonders beliebt sind und daher dieser Job nicht gerade eine gute Rutsche auf den Stadtchefsessel abgibt. Wohl aber könnte genau dieser Faktor dafür sprechen, dass Häupl Wohnbaustadtrat Michael Ludwig in diese Position hievt - denn er könnte es als eine Aufwertung Ludwigs verkaufen und gleichzeitig dessen Bürgermeisterambitionen ausbremsen. Allerdings sieht es nicht so aus, als ob Brauner ihren Sessel räumen würde - obwohl sie heuer ihren 60. Geburtstag feiert.
Interner Ressort-Tausch
Und wer wird eigentlich Wehsely folgen? Der immer wieder ins Spiel gebrachte Flüchtlingskoordinator und FSW-Chef Peter Hacker dürfte sich zieren, zumal er als "Wehsely-Mann" hinsichtlich der parteiinternen Flügelkämpfe kein Gleichgewicht bringen würde. Viel wahrscheinlicher scheint derzeit ein Ressort-Tausch: Sandra Frauenberger (Bildung) folgt Wehsely und Stadtschulratspräsident Jürgen Czernohorsky übernimmt die Bildung: Das wäre zwar eine relativ unspektakuläre Variante, allerdings hätte sie zwei wesentliche von Häupl erwünschte Effekte: Der große Dorn im Auge der Parteirebellen wäre verschwunden und Häupl nicht gezwungen, die Streitanzettler für ihr Zwietrachtsäen noch belohnen zu müssen. Die Kritiker wären also halbwegs zufrieden und Häupl bekommt seine Mehrheit beim Landesparteitag im März. Oder Häupl entscheidet sich wider alle Erwartungen doch noch für eine große Umbauvariante, bei der kein Stein auf dem anderen bleibt.
Das bleibt noch länger sein Geheimnis: Aus seinem Büro heißt es, Häupl wolle sich erst am 21. Jänner im Zuge der Vorstandstagung zu Wort melden. Entsprechende Beschlüsse würden dann im Gremium am 23. Jänner fallen. Derzeit habe der Wiener Parteichef noch Gespräche zu führen.