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"Das wäre sein Todesurteil"

Von Ines Scholz

Europaarchiv

Bulgarien will Tschetschenen an Russland ausliefern.


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Wien/Sofia. "Eine Auslieferung Ahmed Tschataevs wäre sein Todesurteil", warnt Vaha Banjaev, Obmann der Organisation für tschetschenische Folteropfer. "Bulgarien weiß das sehr genau." Dennoch will das EU-Land Tschataev, der in Russland gefoltert worden war und in Österreich seit 2003 anerkannter Flüchtling ist, an Moskau übergeben.

Am vergangenen Freitag entschied ein Richtersenat in Haskovo, wo der 31-Jährige seit 19. Mai festgehalten wird, dem Auslieferungsantrag stattzugeben. Der Vorwurf: Tschataev habe "illegale bewaffnete Gruppen" in Tschetschenien unterstützt und Terrorakte begangen. Als Belege dienen Moskau durch Folter erzwungene Geständnisse seiner Frau. Sie war in Grosny in die Hände des pro-russischen Regimes von Ramsan Kadyrow geraten und musste ein Papier mit den konstruierten Vorwürfen unterzeichnen.

"Rechts-Verstoß"

"Mit der Gerichtsentscheidung verletzt Bulgarien klar die Europäische Menschenrechtskonvention", kritisiert Michael Genner, Obmann von Asyl in Not. Nun hoffe man, dass wenigstens die Berufungsinstanz internationale Rechtsbestimmungen respektiere. Tschataevs bulgarischer Anwalt, Vesco Georgiev, wird dem Gericht in Plovdiv heute, Donnerstag, dem Akt ergänzende Informationen des österreichischen Außenministeriums und einen Brief von Amnesty International beilegen. "Ich hoffe, es hilft", sagt Georgiev der "Wiener Zeitung".

Tschataev gehört der Opposition in Tschetschenien an und war ein enger Freund des in Wien von Schergen des Kadyrow-Regimes ermordeten Umar Israilov. "Und er ist als Folteropfer Zeuge der russischen Menschenrechtsverbrechen -deshalb will Moskau ihn umbringen", meint Banjaev. Russland versuche bereits seit Jahren, seiner habhaft zu werden. Bisher erfolglos. Schweden, Österreich, die Ukraine und Georgien hatten seine Auslieferung abgelehnt. Selbst das Europäische Gericht für Menschenrechte hatte eine solche für illegal erklärt. Nun setzt Moskau auf Sofia.

Besuch vom FSB

Vorige Woche bekam Tschataev in der Haft Besuch von zwei Beamten des russischen Geheimdienstes FSB. Als er sich dem Verhör verweigerte, sagte einer der beiden: "In Moskau wirst du schon reden. Wir haben da unsere Methoden." Tschataev kennt sie zur Genüge: Zu Beginn des zweiten Tschetschenien-Krieges sägten ihm die Russen einen Arm ab und "behandelten" die Wunde mit Elektroschocks. Seiner Familie gelang es, ihn freizukaufen. Noch einmal will er das nicht durchmachen.