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Das neue Machtinstrument der FP: die Sperrminorität. Wie sehr kann sie damit tatsächlich ihre Muskeln spielen lassen?
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Wien. 34 Mandate. Das war die magische Zahl, die Wiens FPÖ-Klubchef Johann Gudenus nach der Wien-Wahl für seine Partei erreichen wollte. Mit 34 Mandaten stellt seine Partei - mit ihm - nicht nur den zweiten Vizebürgermeister der Stadt (ohne Ressort), sondern ist auch eine veritable Kontrollinstanz im Wiener Rathaus. "Bei 33 Mandaten können wir im Gemeinderat und im Landtag bei Beschlüssen den Bundesrechnungshof einschalten und bei 34 Mandaten auch den Verfassungsgerichtshof. Das sind wunderschöne Kontrollinstrumente", erklärte Gudenus der "Wiener Zeitung" unmittelbar vor der Wahl.
In den vergangenen Jahren wollten die Freiheitlichen das immer wieder tun, beispielsweise bei der Frage der Frankenkredite, die mit 1,66 Milliarden Euro fast ein Drittel des gesamten Schuldenstands der Stadt Wien ausmachen sollen. In der Vergangenheit fehlte der blauen Oppositionspartei hingegen die Unterstützung anderer Mandatare.
Das gallische Drittelgegen die rot-grüne Regierung
Nun brauchen sie keine fremde Hilfe mehr. Seit 11. Oktober hat sich das Blatt für sie gewendet. Und das erheblich. 34 Mandate hat die FPÖ erreicht - und damit die "Sperrminorität" im Landtag. Mantraartig wurde das Wort von freiheitlichen Funktionären noch am späten Wahlabend am Sonntag im Partyzelt vor dem Rathaus wiederholt, nachdem klar war, dass die FPÖ entgegen ihren Erwartungen die Wahl nicht gewonnen hatte. "Zumindest haben wir die Sperrminorität", munterten sie sich gegenseitig auf. "Nun werden es der Häupl und seine Vassilakou in der Regierung nicht so einfach haben." Was im ersten Moment nach einer blauen Oppositionsblockade klingt, lässt sich im Zweiten relativieren. Denn die Sperrminorität wird nur dann tragend, wenn Gesetzesbeschlüsse eine Zwei-Drittel Mehrheit brauchen - und das betrifft vor allem das zweite Hauptstück der Stadtverfassung, in der Wien als Land behandelt wird. Nur Verfassungsgesetze, die Wien als Land betreffen, benötigen eine Zwei-Drittel Mehrheit. Gesetze, die hingegen Gemeindematerie regeln, verlangen meist nur eine einfache Mehrheit, heißt es aus der Magistratsdirektion der Stadt Wien. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit werde aus Erfahrung sehr selten benötigt, heißt es weiter. Höchstens bei Einzelgesetzen, etwa wenn es um den Einsatz weisungsfreier Organe geht, wie das etwa die Wiener Umweltanwaltschaft oder die weisungsfreien Mitglieder der Gleichbehandlungskommission der Stadt derzeit sind. Ebenso kann eine Zwei-Drittel-Mehrheit bei Vereinbarungen mit dem Bund zu tragen kommen. Dann würde die Stadtregierung künftig die Zustimmung der FPÖ benötigen.
In der FPÖ zeigt man sich zurückhaltend bezüglich der aktuellen "Sperrminoritäts-Euphorie." Nicht da könne die Opposition ihre Muskeln spielen lassen, sondern in den einzelnen Kontrollausschüssen, die der FPÖ bereits ab einer Mandatsstärke von 30 Mitgliedern zur Verfügung stehen, heißt es aus dem freiheitlichen Klub.
Keine Panik über diepotenziell blaue Blockade
Mit den Unterschriften von 30 Mandataren kann die FPÖ etwa ein Untersuchungsausschuss im Landtag beziehungsweise eine Untersuchungskommission im Gemeinderat beantragen. Dieser muss einen "aktuellen Missstand" untersuchen. Dabei darf jeder Abgeordnete pro Wahlperiode nur zwei Anträge unterstützen - gezählt werden sowohl jene im Landtag als auch jene im Gemeinderat. Wird die Kommission nicht eingesetzt, zählt die Unterstützung nicht. Ab 33 Mandataren kann die Partei die Prüfung einer Gemeindematerie durch den Rechnungshof verlangen. Allerdings gilt auch hier: Jedes Gemeinderatsmitglied darf pro Kalenderjahr nicht mehr als zwei solche Verlangen unterstützen. Solange der Rechnungshof aufgrund eines solchen Antrages dem Wiener Gemeinderat noch keinen Bericht erstattet hat, darf kein weiterer Antrag gestellt werden.
Beim politischen Gegner will die neue Kontrollkraft der Freiheitlichen nicht kommentiert werden. Gibt es Projekte in der roten Pipeline, die von 34 blauen Mandataren potenziell blockiert werden könnten? In der Wiener SPÖ gibt man sich wortkarg, da heißt es nur: "Schritt für Schritt. Da machen wir uns jetzt keinen Kopf darüber."