Die Attacken auf den deutschen Bundespräsidenten hören nicht auf.
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Berlin. Die Bundeskanzlerin werde am Donnerstag an dem Neujahrsempfang bei Bundespräsident Christian Wulff teilnehmen und freue sich schon auf eine Wiederbegegnung mit ihm. Und nein, über Wulffs Nachfolge nachzudenken, bestehe kein Anlass, betonte Angela Merkels Sprecher Steffen Seibert am Montag und dementierte damit Gerüchte, wonach die Koalitionsspitzen von CDU, CSU und FDP bereits über einen Nachfolger beraten hätten.
Offenbar wollen die Regierung und Wulff selbst "business as usual" demonstrieren. Die Hoffnung, dass sich die Sache nach Wulffs in einem TV-Interview gezeigter Reue rasch erledigen würde, ist allerdings zerstoben. "Das wird sich ziehen", zitierte die "Süddeutsche Zeitung" einen ungenannten führenden Unionspolitiker. Sollten keine neuen schweren Vorwürfe auftauchen, dürfte Wulffs Verbleib im Amt aber möglich sein.
Diese Erwartung hegt auch der affärengeplagte Präsident selbst: Bei einem Neujahrsempfang für seine Mitarbeiter soll er sich zuversichtlich gezeigt haben, "dass dieses Stahlgewitter bald vorbei ist", schrieb "Bild am Sonntag" "In einem Jahr ist das alles vergessen", wird er zitiert.
Die Opposition hat hingegen die Nachfolgedebatte bereits eröffnet: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat Merkel angeboten, sich gemeinsam auf die Suche nach jemandem zu begeben, der den Platz des Bundespräsidenten einnehmen könnte. Andere Bedingungen würden die Sozialdemokraten nicht stellen, sagte Gabriel und widersprach damit seiner Generalsekretärin Andrea Nahles, die für den Fall eines Wulff-Rücktritts auch Neuwahlen im Bund gefordert hatte.
Gabriel ist auch anderer Meinung als ein Abgeordneter seiner Fraktion, Hans-Peter Bartels, der gemeint hatte, die SPD würde erneut Joachim Gauck für das Amt nominieren. Die CDU könne auch einen Kandidaten aus den eigenen Reihen aufstellten, sagte hingegen Gabriel: "Wir wollen bloß, dass dieses unwürdige Theater endlich ein Ende hat." Auch Grünen-Chefin Claudia Roth bot an, gemeinsam nach einem Kandidaten zu suchen.
Weiter Streit um Telefonat
Unions-Fraktionschef Volker Kauder bezeichnete diese Spekulationen als Unsinn, weil es keinen Rücktritt Wulffs geben werde. Zugleich räumte er Fehler des Präsidenten ein: "Es war sicher kein Ausweis von Klugheit, einem Chefredakteur eine solche Sache auf die Mailbox zu sprechen", kommentierte er den Interventionsanruf von Wulff bei der "Bild"-Zeitung.
Über den Inhalt dieses Gespräches gibt es weiterhin unterschiedliche Interpretationen der Boulevardzeitung und des Präsidenten. Wulff hatte ja erklärt, er habe den Bericht über seinen umstrittenen Hauskauf-Kredit nur verschieben lassen wollen. "Bild"-Vize-Chefredakteur Nikolaus Blome beharrte freilich: "Der Bundespräsident hat vielleicht das Verschieben als Etappe gesehen, das Verhindern ganz eindeutig als Ziel." Wulffs Anwalt widersprach und betonte, sein Mandant hätte keine Angst vor der Veröffentlichung des Wortlauts.
Dieser ist zumindest teilweise schon durchgesickert. Darin spricht Wulff tatsächlich die Bitte um eine Verschiebung der Veröffentlichung aus. Im selben Gespräch droht der Präsident aber "Bild" auch mit juristischen Konsequenzen und der Abhaltung einer Pressekonferenz über die journalistischen Methoden der Zeitung.