Der Start und Absturz der nordkoreanischen Unha-3 hat politische Auswirkungen, die auch die USA spüren werden.
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Neunzig Sekunden dauerte die Reise des Satelliten mit dem klingenden Namen "leuchtender Stern". Nach dem gescheiterten Versuch 2009 sollte der Satellit zum Anlass des 100. Geburtstages von Kim Il-sung sein Ziel im Orbit erreichen und die Volksrepublik Nordkorea in den Klub der Weltraum-Mächte befördern. Technisch ist das Unterfangen zwar kläglich gescheitert, politisch ist der Führung in Pjöngjang aber wieder ein Erfolg geglückt, der auch in Washington spürbar sein wird.
Nordkorea verstand es bereits in der Vergangenheit meisterhaft, die Aufmerksamkeit des Auslandes auf geplante Raketenstarts zu lenken. Mit dem Abschuss der Unha-3 erreichte die Inszenierung aber eine neue Ebene. Vergangen sind die Zeiten unscharfer Fernaufnahmen und Satellitenbilder der Startvorbereitungen - die Machthaber in Pjöngjang luden Journalisten ein, um die Kunde von ihren technischen Errungenschaften in alle Welt zu tragen. Perfekt orchestrierte Aufnahmen des Raketen-Kontrollzentrums sollen ein professionelles Bild der zivilen Raumfahrt vermitteln.
Nordkorea geriert sich als fortschrittliche Nation, deren technische Neuerungen die Aufmerksamkeit der Welt auf sich zu ziehen vermögen. Die Explosion der Rakete trübt das Bild zwar, vermag es aber nicht zu zerstören. Auch Südkoreas letzter Versuch, einen Satelliten ins All zu befördern, scheiterte mit der Explosion der Trägerrakete. Und selbst das in Raketentechnik versierte Russland musste in den vergangenen Jahren viele Rückschläge in der Entwicklung einer neuen, seegestützten Interkontinentalrakete hinnehmen. Nordkorea ist also sogar im Scheitern in bester Gesellschaft.
Auch die Art und Weise, wie das Ausland auf die technischen Errungenschaften reagiert, nützt dem Regime. Drohungen und Verurteilungen geben der Führung die Möglichkeit, fest etablierte Mythen imperialistischer Bevormundung und Unterdrückung zu bedienen. Zugleich lässt sich der neue Führer Nordkoreas, ganz in der Manier seiner beiden Vorgänger und gemäß der Juchhé-Staatsideologie, als beharrlicher Kämpfer für die Eigenständigkeit Nordkoreas und gegen ausländischen Druck darstellen.
Auch wenn die tatsächliche Flugbahn der Rakete nicht über das Gelbe Meer hinausging, so erreichte diese jedoch letztlich auch Washington. Nach Barack Obamas halboffiziellem Signal an Russlands zukünftigen Präsidenten, dass er nach seiner Wiederwahl über mehr Flexibilität im Bereich der Raketenabwehr verfügen würde, wähnte der harte Kern der US-Raketenabwehr-Befürworter einmal mehr eine Kapitulation vor Russlands konfrontativer Politik und ein mögliches Risiko für die Sicherheit der USA. Nordkoreas inszenierter Raketenstart wird, trotz seines Scheiterns, Wasser auf die Mühlen jener sein, die sich für eine Stärkung des Abwehrprojekts und gegen einen Kompromiss mit Russland aussprechen.
Insgesamt vier gescheiterte Tests von Langstreckenraketen lassen berechtigte Zweifel an der tatsächlichen Reife des nordkoreanischen Programms entstehen. Doch von zentraler Bedeutung ist der Schein. Und der wurde durch das jüngste Raketenschauspiel erneut gepflegt.