Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Auch beim Autobahnklo hat uns die Regierung schmählich im Stich gelassen. Wobei wir Österreicher ohnehin ein bisschen hintennach sind. Die Deutschen haben es früher kapiert. Und da rennt auch die Diskussion auf einer gänzlich anderen Ebene ab. Da werden die Dinger beim Namen genannt. Selbst wenn diese Namen manchmal seltsam sind: „Mehr Wildpinkler an Autobahnen.” Darüber hat sich unlängst die „Sächsische Zeitung” beklagt. Mir gefiel das Wort. Wildpinkler. Dachte zuerst, das ist eine neue Dackelrasse oder so irgendwas. War es aber nicht. Es war Widerstand. Widerstand, der zum Himmel stinkt.
Wer mit Frau und Teenagertochter im Auto von Wien nach Jesolo fährt, der hat noch vor Tarvis leicht eine Viertel Tankfüllung an Gebühren im Autobahnklo runtergespült. Wenn’s ganz dick kommt sozusagen. Das ist zwar das ganze Jahr über auch nicht anders, aber jetzt in der Urlaubersaison fällt es halt besonders auf. Da kommen am Autobahnrand dann zu den echt Verzweifelten in Scharen auch noch die Sparefrohs dazu. Die Wildpinkler. Verständlich. Aber trotzdem nervig.
Während wir Braven zahlen und zuschauen und uns einen zornigen Gott herbeiwünschen, der die Wildpinkler mit einem diskreten Blitzschlag bestraft oder die Raststättenbetreiber mit einer positiven Erleuchtung segnet oder am besten beides zugleich. Wird aber nicht passieren. Auch die Kirche hat anderes zu tun.
Womit gilt: Schon wieder sind die Deutschen Vorreiter. Im Internet kann man eine Selbsthilfegruppe finden, die unter www.gratispinkeln.de ihre Vorstellung von Gerechtigkeit betreibt. Leider ist das System bis dato nur auf Deutschland beschränkt, jedenfalls aber werden nach Bundesländern geordnet Orte bekanntgegeben, wo man ebenso gratis wie gesetzeskonform pinkeln kann. Die Idee funktioniert auch in Städten. Seitdem weiß ich, dass in Berlin im Hotel Park Inn am Alexanderplatz „im Erdgeschoss und in der 37. Etage kostenlose Toiletten zur Verfügung stehen.” Ich danke dem Herrn für diese Erkenntnis. Weil ich bin oft in Berlin und Wildpinkler will ich keiner werden. Notdurft ist kein Notstand. So sieht es das Gesetz. Und ich irgendwie auch. Aber, sitz’ ich in der Regierung?