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"Das Wort Glauben steht bei mir auf dem Index der verbotenen Wörter"

Von Andreas Rehnolt

Politik

Essen - "Das Wort Glauben steht bei mir auf dem Index der verbotenen Wörter. Aus der Triade Glaube, Hoffnung und Liebe ist bei mir der Glaube total abhanden gekommen." Wenige Tage vor ihrem 75. Geburtstag am 2. Oktober zeigt sich Deutschlands streitbarste Theologin, die Essener Professorin Uta Ranke-Heinemann, wenig versöhnlich mit der katholischen Kirche. "Das gesamte Gebäude des Christentums ist ein einziges Märchengebäude. Vom ganzen Glaubensbekenntnis ist bei mir nur noch das erste und letzte Wort geblieben: Gott und ewiges Leben", sagt sie.


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Die Tochter des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann habilitierte sich 1969 als erste Frau weltweit in katholischer Theologie. Doch sie war auch die erste, die ihre Professur für Neues Testament und Alte Kirchengeschichte wieder verlor. Das war 1987 und Folge ihrer Äußerungen über "Sexualpessimismus" der katholischen Kirche, über "Frömmigkeitsspektakel" und ihre Zweifel an der Jungfrauengeburt Christi.

Seitdem zog und zieht die Mutter zweier Söhne vor allem gegen die Sexualmoral in der katholischen Kirche zu Felde. Für Ranke-Heinemann ist der Zölibat - das Eheverbot für Priester - die Wurzel allen Übels in der katholischen Kirche. Schon in der Bibel stehe schließlich, es sei "nicht gut, dass der Mensch allein sei", betont die Theologie-Professorin, die nach dem Tod ihres Mannes im September vergangenen Jahres allein in Essen lebt.

Im Gespräch mit AP bezweifelte Ranke-Heinemann, dass die Deutsche Bischofskonferenz sich künftig tatsächlich intensiver mit dem Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester beschäftigen wird. Erneut plädierte sie für die Abschaffung der Kinder- und Jugendlichenbeichte. "Der Beichtstuhl wird zur Kontaktbörse für Homosexuelle und damit zum Ort, an dem Missbrauch sich anbahnt", kritisierte sie.

Die unbequeme Theologin, deren Bücher "Eunuchen für das Himmelreich" und "Nein und Amen. Anleitung zum Glaubenszweifel" auch international Bestseller waren, bringt zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse eine ergänzte Neuausgabe von "Nein und Amen" heraus. Der im Münchner Heyne-Verlag erschienene Band trägt nun den Untertitel "Mein Abschied vom traditionellen Christentum". Darin beschäftigt sie sich intensiv mit den Erörterungen über das Wiedersehen jenseits des Todes in den verschiedenen Weltreligionen. Und sie gesteht "meine Sehnsucht nach einem ewigen, glücklichen Leben jenseits des Todes".

Ranke-Heinemann, die nach ihrem Studium der evangelischen Theologie 1953 zum Katholizismus übertrat, war immer auch politisch und sozial engagiert. 1972 etwa reiste sie nach Nordvietnam und setzte sich für ein Ende des Krieges ein, sie brachte Medikamentenspenden nach Kambodscha und trat in Moskau für eine umfassende Nulllösung bei allen Atomwaffen ein. Bei den Landtagswahlen 1985 in Nordrhein-Westfalen kandidierte sie als Spitzenkandidatin der "Friedensliste", die jedoch mit nur 0,7 Prozent der Stimmen kläglich unterging. 1999 wurde die parteilose Professorin von der PDS als Kandidatin für die Wahl zum Bundespräsidenten nominiert.

Im riesigen Arbeitszimmer der streitbaren Kirchenfrau in Essen stehen vier Computer-Bildschirme, mit denen sie arbeitet. Per E-Mail kommuniziert sie unter anderem auch mit dem Vatikan in Rom. Ihr Geburtstag ist ihr nach eigenen Worten nicht so wichtig, und groß feiern will sie nicht. Sie vermisst schmerzlich ihren Mann Edmund Ranke, mit dem sie schon seit Schultagen zusammen war. Seit er gestorben ist, sei sie "gar nicht mehr richtig verwurzelt auf diesem Planeten". Alle ihre Gedanken "kreisen jetzt ums Jenseits", sagte Ranke-Heinemann.