![Eine Illustration einer Frau mit Kopftuch.](https://media.wienerzeitung.at/f/216981/2500x1875/a87666ab3f/wz_podcast_header_fatima_storer.jpg/m/384x288/filters:quality(50))
Eine Regierungserklärung, auf die wir in diesem Herbst wohl vergeblich warten werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Liebe Wählerinnen und Wähler, wie Sie wissen, haben sich die Spitzen der großen Koalition zu einer streng vertraulichen Klausur in Altaussee getroffen. Der Grund dafür waren letztlich Sie und der Ärger, den Sie in den vergangenen Monaten über uns und unsere Arbeit verspürt haben und der auch uns nicht verborgen bleiben konnte.
Wir wussten: Wenn wir einfach so weitergemacht hätten wie bisher, wären sowohl die SPÖ als auch die ÖVP in ihrer Existenz als staatstragende politische Parteien gefährdet gewesen. Wir haben uns daher bei unserer Klausur entschieden, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und unser seinerzeitiges Wahlversprechen "Neu regieren" spät, aber doch mit Leben zu füllen.
Wir werden daher Österreich entschlossen umbauen, auch wenn uns das in den eigenen Reihen harte Kritik einbringen wird. Wir werden die Einkommensteuern mit Beginn des nächsten Jahres so weit senken, dass sowohl Einkommensschwache als auch Gutverdiener dies substanziell spüren. Gleichzeitig werden wir der "kalten Progression" per Gesetz ein Ende bereiten, indem die Steuerstufen jedes Jahr automatisch um die Inflationsrate angehoben werden. Das wird sehr viel Geld kosten, das wir durch eine Halbierung aller Subventionen, eine radikale Verkleinerung des öffentlichen Dienstes und ein groß angelegtes Privatisierungsprogramm, aber auch die moderate Besteuerung von Erbschaften gegenfinanzieren werden.
Unser Ziel muss sein, innerhalb der nächsten Jahre die Abgabenquote sehr deutlich zu senken, und dafür werden wir alles tun, was dazu erforderlich ist - wirklich alles. Gleichzeitig werden wir eine weitere Staatsverschuldung per Verfassungsgesetz unmöglich machen, um unseren Kindern halbwegs geordnete Staatsfinanzen zu hinterlassen, und freuen uns, dass die Opposition da mitstimmen wird. Um ihnen die besten Lebenschancen zu bieten, werden wir unsere Schulen endlich ins 21. Jahrhundert führen und, ähnlich wie in Schweden, für einen harten Wettbewerb privater und staatlicher Schulbetreiber sorgen, sodass die Qualität des Schulsystems endlich das dringend notwendige skandinavische Niveau erreicht.
Weil wir begriffen haben, dass Sie, liebe Wählerinnen und Wähler, es nicht sehr schätzen, von der Obrigkeit gegängelt zu werden, werden wir künftig den Artikel 20 der UNO-Menschrechtscharta respektieren: "Alle Menschen haben das Recht, sich zu Vereinigungen zusammenzuschließen. Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung anzugehören." Deshalb werden wir alle Zwangsmitgliedschaften (Arbeiter- oder Wirtschaftskammer, Hochschülerschaft etc.) abschaffen, nicht zuletzt als Symbol für einen Neuanfang. Das gilt auch für die Sozialversicherungen: Künftig werden Sie selbst entscheiden können, bei wem Sie sich gegen Krankheitskosten versichern und für das Alter vorsorgen wollen, auch diese Form der Zwangsmitgliedschaft werden wir abschaffen und durch Wettbewerb ersetzen.
Wir wissen: All das wird noch nicht ausreichen, Österreich zukunftsfit zu machen. Aber wir hoffen, dass Sie uns, wenn wir dieses begrenzte Programm jetzt wirklich zügig umsetzen, wieder mehr Vertrauen entgegen bringen, als dies bisher leider zu Recht der Fall war. Jetzt beginnt das neue Regieren wirklich.