Endre Szeremedi erhält heuer die höchste Auszeichnung für Mathematiker.
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Budapest. Nach all dem Wirbel um den Zauberwürfel wolle er im Ruhestand nicht mehr im Rampenlicht stehen, gab der ungarische Designer Ernö Rubik vor zwei Jahren in einem seiner rar gewordenen Interviews zu Protokoll. Beim Erfinder eines der berühmtesten Spielzeuge der Welt - 400 Millionen Zauberwürfel wurden seit der Anmeldung zum Patent 1975 verkauft - ist das aber wohl relativ. Spätestens 2014 wird Rubik in Budapest wieder allgegenwärtig sein. Anlässlich seines 70. Geburtstags wird dann nämlich am linken Donauufer nahe der Rakoczi-Brücke mit dem Bau eines Museums begonnen, das im Volksmund schon jetzt nur "der Riesen-Rubik" heißt und aus Sicht vieler Ungarn längst überfällig ist.
Voraussichtlich ab 2017 werden in dem Gebäude 1100 Jahre ungarischer Geistesgeschichte für die Öffentlichkeit dokumentiert. 2009 hatte Peter Radnai, einst Chefredakteur der ungarischen Ausgabe des "Playboy", erstmals das Projekt eines Rubik-Museums angestoßen. Ihm ging es um ein Wahrzeichen, mit dem sich gerade junge Ungarn identifizieren könnten. Erst unter Ministerpräsident Viktor Orban, für den der Zauberwürfel das Symbol ungarischer intellektueller Schaffenskraft schlechthin ist, wurde daraus die Idee von einem Hort nationaler Geistesgröße in innovativem Gewand.
Ende 2011 gab das Kabinett grünes Licht für den "Riesen-Rubik", Ende März unterzeichneten der Designer und Orban einen Vertrag. Dabei gab sich der Premier ungewohnt zahm. Er hoffe vor allem, dass das Museum der Festigung der Kontakte Ungarns mit dem Rest der Welt diene, so Orban. Im Sinne des Zauberwürfel-Erfinders wäre das in jedem Fall. Schließlich hat Rubik seine berühmteste Erfindung stets als "verbindendes Element" bezeichnet, "das jeder verstehen kann".
Mit dem Museum rückt eine Disziplin in den Vordergrund, die Rubik zwar nie befördern wollte, mit seiner Erfindung aber immens befördert hat - die Mathematik. Schon bald nach der Patentierung des Zauberwürfels setzte die Suche nach der "Gotteszahl" ein, worunter Mathematiker den kürzesten Weg zur Lösung des Zauberwürfels verstehen, bei dem nicht weniger als 43 Billionen Farbkonstellationen möglich sind. Rubik verfolgte das mit Interesse, weil es für ihn der Beweis war, dass auch scheinbar einfache Fragen äußerst vielschichtige Antworten erfordern können.
Einfache Fragen mit komplexen Antworten
Während sich der Designer eher als Impulsgeber für Mathematiker sieht, gehört Endre Szeremedi zu ihnen. Am 22. Mai nimmt der Professor am Forschungsinstitut für Mathematik der Ungarischen Akademie der Wissenschaften den Abel-Preis entgegen, der neben der älteren Fields-Medaille als Nobelpreis für Mathematiker gilt. Er wird seit 2003 alljährlich durch die Norwegische Akademie der Wissenschaften verliehen und ist mit 790.000 Euro dotiert. Bezüglich des heurigen Preisträgers hob die Jury hervor, es gebe nur wenige Nationen, bei denen die Mathematik eine so große Tradition habe wie in Ungarn. Nach Peter Lax ist Szemeredi der zweite ungarische Abel-Preisträger.
Geehrt wird Szemeredi für seine Verdienste um die Grundlagenforschung in der diskreten Mathematik und der theoretischen Computerwissenschaft. Der Wissenschafter habe herausragende Ergebnisse bei der Kombinatorik und der additiven Zahlen- und Ergodentheorie erzielt, heißt es in der Begründung. Dabei erwähnen die Juroren ausdrücklich einen mathematischen Satz, den Szeremedi 1975 aufstellte. Damals bewies er die aus 1936 stammende Vermutung von Pal Turan und Paul Erdös, dass eine Folge natürlicher Zahlen, die positive Dichte in den natürlichen Zahlen hat, beliebig lange arithmetische Folgen enthält. Das beim Beweis verwendete Regularitätslemma fand Anwendungen in der Komplexitätstheorie, der Theorie zufälliger Graphen und der Zahlentheorie.