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Das Ziel sind 2 Prozent

Von Peter De Coensel

Gastkommentare

Warum ausgerechnet dieser Wert als Inflation angestrebt wird.


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2 Prozent Inflation strebt die EZB an. Warum gerade diesen Wert? Hier ist eine Geschichtslektion erforderlich. Die Ökonomie ist keine exakte Wissenschaft wie Physik oder Mathematik, sondern aus dem Drang der Menschen entstanden, die Unsicherheit bei der Kombination der Produktionsfaktoren zu modellieren. Nimmt man die verhaltensbedingte Volatilität hinzu, die unternehmerische Entscheidungen bei Handel, Finanzen und Politik mit sich bringen, wird die Komplexität noch größer.

Das Inflationsziel hat 1989 die Zentralbank Neuseelands als Experiment eingeführt. Deren neuer Präsident Don Brash schlug damals angesichts von 7,6 Prozent Inflation vor, die Geldpolitik so zu gestalten, dass die Inflation zwischen 0 und 1 Prozent liege. Kurz darauf wurde das auf 0 bis 2 Prozent angepasst, und die Inflation sank bis Ende 1991 tatsächlich auf 2 Prozent.

Das blieb nicht unbeachtet. Während die meisten Zentralbanken in den 1980ern und frühen 1990ern von der Währungsanbindung zur Steuerung des Geldmengenwachstums übergingen, wurde das neuseeländische Inflationsziel rasch zum Normalfall. In dem Moment, als die nationalen Schuldenbüros in den USA (1997) und in Frankreich (1998) mit der Ausgabe inflationsgebundener Staatsanleihen begannen, nahmen die Zentralbanken Inflationsziele in ihre Kommunikationsstrategie und schließlich in ihre geldpolitische Strategie mit auf.

Die früheren Fed-Präsidenten Paul Volcker und Alan Greenspan vertraten die Auffassung, die Inflation sollte bei unternehmerischen Entscheidungen keine Rolle spielen. Beide fanden eine Inflation von 0 Prozent optimal, um den Kaufwert der Währung zu erhalten und zu stabilisieren. 1995 widersprach die spätere Fed-Chefin Janet Yellen, damals Mitglied des Fed-Gouverneursrats: Eine Inflation von 0 Prozent könnte die Wirtschaft lähmen. Es gehe darum, "das Rad am Laufen zu halten" und Arbeitgebern einen Polster zu bieten, um die Löhne in Zeiten des Abschwungs konstant zu halten. Darüber hinaus könnten Unternehmen, die über eine Preissetzungsmacht verfügten (um die Inflation auf die Verbraucher ihrer Waren und Dienstleistungen abzuwälzen), die inflationsbereinigten Löhne senken.

Stabiles, aber flexibles Geld- und Bankensystem

Kehren wir zu diesem zentralen Inflationsauftrag der Zentralbanken zurück. Sie sollen das Funktionieren eines stabilen, aber flexiblen Geld- und Bankensystems erleichtern. Die Mehrheit der Zentralbanken der Industrieländer ist der Ansicht, mit einer jährlichen Inflationsrate von 2 Prozent werde ein längerfristiges Ziel erreicht. Diese Zahl ergibt sich aus historischen Belegen, die zeigen, dass die wirtschaftlichen Ergebnisse in den meisten Fällen ausgeglichen sind. Das Experiment wurde zuerst durchgeführt. Danach folgte die Theorie.

Wie bei Unternehmen gilt auch hier: Je länger eine Marke existiert, desto länger wird sie bestehen. Je länger es also das Inflationsziel von 2 Prozent gibt, desto komplizierter und möglicherweise unverantwortlicher wird es, davon abzuweichen. Die Zentralbanken müssen ihre Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in sie wahren. Die Inflationsrate von 2 Prozent hat in der Tat für Preisstabilität gesorgt und das Wirtschaftssystem dynamisch gehalten.

Was die Inflation nach oben treibt, ist die Entwicklung des Schulden- oder Kreditwachstums pro Kopf, korrigiert um die Produktivitätsrate. Ein Produktivitätsanstieg alleine wirkt deflationär. Das Produktivitätswachstum senkt die Verbraucher- oder Erzeugerpreisindizes, da weniger Energie (Kapital und Arbeit) benötigt wird, um einen Gegenstand oder eine Dienstleistung herzustellen. Dieser Effizienzgewinn kann zu einer niedrigeren Preisbildung führen, wenn Wettbewerb herrscht.

Wird eine langfristige Produktivitätswachstumsrate von 1 bis 2 Prozent als angemessen definiert, braucht es für 0 Prozent Inflation ein Pro-Kopf-Kreditwachstum von 1 bis 2 Prozent pro Jahr. Für 2 Prozent Inflation ist also ein Pro-Kopf-Kreditwachstum von 3 bis 4 Prozent erforderlich. Dies kann nur erreicht werden, wenn Verbraucher und Unternehmen ihr Vertrauen ins Bankensystem beibehalten und ihr Bargeld einzahlen, damit das Kreditwachstum gedeihen kann (die Essenz des fraktalen Bankkonzepts). Ein solides Wachstum der Gesamtverschuldung (3 bis 4 Prozent) in Verbindung mit einer Inflationsrate von 2 Prozent stärkt die Weltwirtschaft bei einem positiven Produktivitätswachstum von etwa 1 bis 2 Prozent.

Es gibt drei Erklärungen dafür, warum die positive Inflationszahl von 2 Prozent ein Trostpflaster ist: Erstens trägt sie einer Messverzerrung Rechnung, indem sie uns darüber informiert, dass 1 bis 2 Prozent Inflation effektiv zu einer Inflation von etwa 0 Prozent führen, wenn man technologische Innovationen und demografische Einflüsse berücksichtigt. Zweitens ermöglicht eine Inflationsrate von 2 Prozent den Zentralbanken, die langfristigen nominalen Leitzinsen auf einem Niveau festzulegen, das ihnen Spielraum für Zinssenkungen lässt, wenn sich die Konjunktur verschlechtert. So liegt für die Fed der derzeitige langfristige Leitzins, mit dem sie Preisstabilität und maximale Beschäftigung erreichen kann, bei 2,5 Prozent. Drittens vermeidet das Inflationsziel von 2 Prozent die Probleme der Deflation. Letztlich sind die Kosten von 2 Prozent Deflation weitaus höher als jene von 2 Prozent Inflation.

Der Zinseszinseffekt und "Die Regel von 72"

Doch das alles erklärt nicht, warum wir nicht ein Inflationsziel von 3 oder 4 Prozent anstreben sollten. Die Antwort ist ganz einfach: Es hat mit dem Zinseszinseffekt zu tun und wird als "Die Regel von 72" bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Faustregel, mit der sich die Auswirkungen des Zinseszinseffekts berechnen lassen: Teilt man 72 durch die Zinseszinsrate (also eine jährliche Inflationsrate von 2 Prozent), so ergibt sich, dass sich die Preise über einen Zeitraum von 36 Jahren verdoppeln (72/2). Bei 3 Prozent Inflation verdoppelt sich das allgemeine Preisniveau in 24 Jahren (72/3), bei 4 Prozent sind es 18 Jahre (72/4).

Viele Länder Europas und auch die USA haben aktuell eine Inflation von etwa 8 Prozent. Damit würden sich die Preise in 9 Jahren, also bis 2031, verdoppeln. Man beginnt, die Auswirkungen aus der Perspektive der Unternehmensplanung zu verstehen, bis hin zu den erforderlichen Entscheidungen und Planungen für die Gründung einer Familie. Man muss damit rechnen, dass die eigenen Ersparnisse und investierbaren Vermögenswerte in relativ kurzer Zeit die Hälfte ihres Wertes und ihrer Kaufkraft verlieren.

Während die Auswirkungen vor allem der Lebensmittel- und Energieinflation für private Verbraucher offensichtlich sind, sind sie für die Unternehmen weit weniger deutlich. Letztere sind sowohl direkt durch den Produktionsprozess als auch indirekt durch die Nachfrage nach ihren Produkten oder Dienstleistungen betroffen. Energieunternehmen können von höherer Inflation profitieren. Technologieunternehmen sind weniger energieintensiv und könnten nur begrenzte Auswirkungen spüren. Industrie- und Konsumgüterunternehmen spüren die Inflation und den Druck auf ihre Nettogewinnspannen.

In dem Moment jedoch, in dem die Auswirkungen des Zweitrundeneffekts die Lohnkostenbasis nachhaltig treffen, werden alle Unternehmen die Auswirkungen auf das Endergebnis spüren. Die Budgetrunden, die für die meisten Unternehmen im dritten und vierten Quartal anstehen, könnten für Aufregung sorgen. Betrachtet ein Unternehmen eine Inflationsrate von 5 Prozent bis zum Jahresende als einmaligen Umstand? Oder muss sie in die Mehrjahresplanung einbezogen werden? Hier kommen wir wieder auf die Attraktivität einer Inflationsannahme von 2 statt 4 Prozent zurück.

In mehreren IWF-Veröffentlichungen wurde ein Inflationsziel von 4 Prozent gefordert. Dies würde den Zentralbanken mehr Flexibilität bei der Festlegung der Leitzinsen und vor allem mehr Spielraum über der Null-Linie geben; die negativen ökonomischen Folgen hielten sich in Grenzen. Für private Haushalte wäre es jedoch eine starke Entwertung und würde die Kaufkraft der Gehälter stark beeinträchtigen.

Das Ziel von 2 Prozent Inflation birgt freilich die Gefahr, in eine Deflation hineinzurutschen. Wichtiger ist aber, dass es die Inflation erfolgreich absichert. Denn eine anhaltend hohe Inflation entwertet das Geld zu schnell und erschwert es Unternehmen, Budgets zu kalkulieren, Projekte zu bewerten und das allgemeine Geschäftsmodellrisiko zu kontrollieren. Die Zentralbanken tragen hier also viel Verantwortung.