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Das Zimmer immer dabei

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft
Wieso das Wohnmobil einwintern? Hartgesottene Campingfans lassen sich auch von Schnee und Minusgraden nicht davon abhalten, ihrer Leidenschaft zu frönen.
© stock.adobe.com / Paolo Esposito

Freiheit, Unabhängigkeit, Abenteuer: Campingurlaub boomt, aber nicht erst seit Corona.


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Heute hier, morgen da. Viel frische Luft. Frühstück: den ganzen Tag. Dresscode: leger. Atmosphäre: ungezwungen. Campen liegt seit Jahren voll im Trend. Corona hat den Run auf die Campingplätze noch verstärkt, denn Flugreisen können wegen der Corona-Einschränkungen und Formalitäten ziemlich umständlich sein. Ohne 2G-Nachweis geht es aber beim Campen auch nicht. Es gelten dieselben Regeln wie in der Hotellerie.

Am Campingpark Grubhof in Lofer/Salzburg kann man das ganze Jahr über die Natur genießen. Zur Zeit sind etwa 120 Wintergäste mit ihren beheizten Wohnmobilen oder Wohnwagen da, die 60 der insgesamt 250 Stellplätze belegen, erzählt Grubhof-Chef Robert Stainer. Untertags gehen sie skifahren oder winterwandern, am Abend wärmen sie sich in der alpinen Saunalandschaft auf.

Campingplätze bieten mehr als einen Schlafplatz

Auch auf den Campingplätzen ist die Zeit nicht stehengeblieben. "Moderne Campingplätze stehen einem Hotel in puncto Komfort um nichts nach. Der einzige Unterschied ist, dass der Gast sein Zimmer selber mitnimmt", sagt Stainer. Sauna, Schwimmbad, riesige Spielplätze, Shops, Animationsprogramm, gehobene Gastronomie: alles schon da für die, die es wollen. Wer lieber weniger Kontakt zu anderen will - Stichwort Covid-19 - , grillt selber und isst unterm Vorzelt. Die Anlage am Grubhof hat sich mit ihren XXL-Stellplätzen einen Namen gemacht: 180 Quadratmeter Fläche stehen zur Verfügung, in der Sommersaison ab 30 Euro pro Nacht für Gäste mit Wohnmobil oder Wohnwagen. Für Zeltcamper steht eine großzügige Wiese zur Verfügung.

Noch etwas hat sich im Lauf der Zeit geändert: Man campt nicht mehr vorrangig, um Geld zu sparen. "Es ist eine Mentalitätssache", sagt Stainer. Natürlich gebe es noch die reinen Zeltcamper, doch die meisten wollen doch ein gewisses Maß an Komfort, während sie das Gefühl von Freiheit, Unabhängigkeit und Abenteuer auskosten. Und das ist nicht gerade billig. Wer sich einen neuen, gut ausgestatteten Wohnwagen zulegen will, muss mindestens 20.000 Euro hinblättern. Ein gut bestücktes Wohnmobil gibt es ab 70.000 Euro, heißt es auf Anfrage beim Wohnmobilhändler Campingworld Neugebauer mit Sitz in Neunkirchen.

Die Nachfrage nach Freizeitfahrzeugen ist in den vergangenen Jahren jedenfalls deutlich nach oben geschnellt, wenn man die Neuzulassungen betrachtet. 2021 wurden hierzulande 4.782 neu zum Verkehr zugelassene Wohnmobile registriert - ein Plus von über 60 Prozent im Vergleich zu 2020 mit 2.969 Fahrzeugen. 2019 waren es nur 1.704 gewesen. Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der neu zugelassenen Wohnanhänger: 1.166 waren es im Vorjahr, nach 998 im Jahr 2020 und 980 im Jahr 2019. Zum Jahresende 2021 betrug der Bestand an zugelassenen Wohnmobilen 36.482, der Bestand an Wohnanhängern 40.735.

Die Zahl der Campingplätze hat sich im Vorjahr um 45 auf 647 erhöht. Den höchsten Anstieg verzeichnete laut Statistik Austria Oberösterreich, wo 25 zusätzliche Campingplätze gemeldet wurden.

In Europa wurden 2021 insgesamt rund 260.000 Wohnmobile und Wohnwagen neu zum Verkehr zugelassen. Mit rund 106.138 neuen Freizeitfahrzeugen (81.420 Wohnmobile, 25.000 Wohnwagen) bleibt Deutschland der mit Abstand wichtigste Einzelmarkt. Die Nummer 1 unter den deutschen Herstellern ist die Erwin Hymer Gruppe, die seit Februar 2019 zum US-Branchenriesen Thor Industries gehört und im Geschäftsjahr 2020/2021 einen Umsatz von 2,7 Milliarden Euro erzielte. Zur Hymer-Gruppe gehören die Reisemobil- und Caravanmarken Bürstner, Dethleffs und Hymer.

Lieferfristen sind deutlich länger geworden

Die Lieferzeit bei deutschen Wohnmobilen und Anhängern habe vor der Pandemie bei konfigurierten Neufahrzeugen, bei denen der Käufer noch Einfluss auf große Teile der Ausstattung nehmen kann, zwei bis drei Monate betragen, jetzt seien es etwa neun bis zwölf Monate, heißt es auf Anfrage beim Branchenverband CIVD. Die Dauer variiere je nach Fahrzeugkategorie und Hersteller. Liner, die größte Fahrzeugkategorie, würden eine noch längere Lieferzeit haben, weil es individuelle Einzelstücke seien. Diese Luxusfahrzeuge gelten als Königsklasse der Wohnmobile. Sie sind schick eingerichtet und äußerst geräumig. High-End-Modelle sind sogar mit einer Garage für einen kleinen Pkw ausgestattet, den man für Ausflüge benutzt.

Für den Campingurlaub im Sommer 2022 könnte die Lieferung eines maßgeschneiderten Freizeitfahrzeugs also knapp werden. Bleibt immer noch die Option, ein Modell zu wählen, das bereits bei einem Vertragshändler steht. Sie bestellen bei den Herstellern beliebte Konfigurationen vor, um sie dann zu verkaufen. Auch Mieten ist eine Option, vor allem für Neueinsteiger. Billiger sind auch gebrauchte Fahrzeuge von Privatpersonen. Es würden aber aufgrund der derzeitigen großen Nachfrage stark überhöhte Preisen verlangt, wie aus Händlerkreisen verlautet.

Ist der Entschluss zum Campen erst einmal gefällt, folgt die Qual der Wahl. Das deutsche Reiseportal camping.info listet derzeit 23.108 Campingplätze in Europa auf. Der Grubhof nimmt im aktuellen Beliebtheitsranking, das auf 228.000 Bewertungen von über 150.000 Campinggästen beruht, nach dem Campingpark Kühlungsborn in Mecklenburg-Vorpommern Platz 2 ein. Aus Österreich schafften es insgesamt 22 Campingplätze in die Top 100, die von 67 deutschen Campingplätzen dominiert werden.