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Bei der Wahlwiederholung der Leopoldstädter droht der SPÖ, im grün-blauen Match unter zu gehen.
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Wien. Es ist eine außergewöhnliche Situation und in der Regel wäre die Bezirksvertretungswahl in der Leopoldstadt "eine kleine Fußnote", wie es Polit-Experte Thomas Hofer analysiert. Theoretisch jedenfalls, würde diese nicht praktisch gesehen zwei Wochen vor der Wahlwiederholung der Bundespräsidentschafts-Stichwahl stattfinden.
Die Parallele der beiden Urnengänge - zwei vom Verfassungsgerichtshof angeordnete Wahlwiederholungen, ausgelöst durch zwei Wahlanfechtungen der FPÖ - könnte vor allem der SPÖ aufgrund des grün-blauen Matches Stimmen kosten. Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer rittern um den Einzug in die Hofburg, in der Leopoldstadt kämpfen die Grünen und die FPÖ um Platz zwei im Bezirksparlament, und damit um den zweiten Bezirksvorsteher-Stellvertreter.
Im ersten Fall geht es um alles oder nichts, im zweiten Fall um einen Titel ohne Mittel. Aber es könnte auch alles ganz anders kommen, denn eine Prognose über den Ausgang der Wahlwiederholung der Bezirksvertretungswahl wagt momentan kaum jemand.
Grüne wildernauf rotem Terrain
Befürchtet die SPÖ, Platz eins zu verlieren? "Ich sage ganz offen und ehrlich, ja und nein. Wir haben gute Arbeit geleistet, aber wir wissen nicht, wie die Wähler insbesondere bei Wahlwiederholungen reagieren. Ich traue mir momentan gar nichts vorauszusagen. Das wäre Kaffeesud lesen", sagt SPÖ-Bezirksvorsteher Karlheinz Hora. Die SPÖ ging im Oktober 2015 mit einem Wahlergebnis von 38,6 Prozent und einem Vorsprung von 16 Prozent als stimmenstärkste Partei hervor. Zuletzt legten die Roten bei den Bezirksvertretungswahlen 2005 zu - damals mit einem Wahlergebnis von 48,5 Prozent und einem Plus von 1,8 Prozent.
Die Chance der Grünen, ihre Wahl-Taktik auf ein grün-blaues Match zu fokussieren, birgt gleichzeitig ein Risiko für die SPÖ. Der Hintergrund: Bei der vom Verfassungsgerichtshof ungültig erklärten Wahl lagen die Blauen und Grünen um 21 Stimmen auseinander - das war ausschlaggebend für die Wahlanfechtung der FPÖ sowie für die Wahlwiederholung (siehe Wissen).
"Die Grünen haben eine Chance, im roten Bereich zu wildern, und darauf muss die SPÖ in der Leopoldstadt aufpassen. Für die Grünen ist es keine schlechte Ausgangsbasis. Denn wenn die Argumentation lautete, liebe rote Freunde helft uns, damit wir die Blauen auf Distanz halten, könnte es im indirekten Effekt unangenehme Folgen für die SPÖ haben", sagt Polit-Experte Thomas Hofer.
Bei dieser Wahl gehe es nicht um die Differenz von 21 Stimmen, sondern um die Bestätigung eines Wahlergebnisses. "Wenn es lediglich um Grün versus Blau geht, könnten die anderen Parteien leicht unter die Räder geraten", analysiert Hofer.
Die grüne Frontfrau und jetzige zweite Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Uschi Lichtenegger bezeichnet die Stimmung im Bezirk als "kämpferisch". "Wenn wir nicht ausreichend Wähler mobilisieren können, dann könnte die FPÖ vorne liegen", sagt Lichtenegger. Nachsatz: "Fix ist nur, dass Karlheinz Hora von der SPÖ wieder Platz 1 belegen wird. Der Rest ist ungewiss. Aber glauben Sie mir, wir werden die Leopoldstadt nicht wahlkampflos der FPÖ überlassen."
"Werden Wahlkampfkurz und knackig halten"
Lichtenegger respektiert die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. "Natürlich mussten wir immer im Hinterkopf behalten, dass die Wiederholung passieren kann. Jetzt ist es so weit." Wie auch die anderen Parteien, sind die Grünen derzeit in der Planungsphase. "Wir dürfen nicht vergessen, dass die Leopoldstädter zwei Wahlkämpfe im September haben werden. Wir werden unseren daher kurz und knackig halten." Der interne Startschuss für den FPÖ-Wahlkampf fällt ebenfalls Mitte Juli, Mitte August startet die heiße Phase, wie FPÖ-Bezirksparteiobmann Wolfgang Seidl bestätigt. "Ich glaube nicht, dass die Wahlbeteiligung sinken wird. Die Sorgen, die die SPÖ hat, teile ich nicht", sagt Seidl.
Auswirkungen auf Bundespräsidentenwahl
Der Wahlkampf für die Leopoldstädter Bezirksvertretungswahlen und die "Hofer-Wahl werden parallel laufen", wie Seidl erklärt. Und das ist kein unwesentliches Detail. "Wenn es der FPÖ gelänge zuzulegen, dann würde das Leopoldstädter Wahlergebnis zwei Wochen vor der Wiederholung der Bundespräsidentschafts-Stichwahl auch auf bundespolitischer Ebene interpretiert werden", sagt Polit-Experte Thomas Hofer. Die Bezirksvertretungswahlen bekomme potenziell eine ganz andere Öffentlichkeit und eine andere Tragweite, die eine Bezirksvertretungswahl normalerweise nicht bekommen würde.
Für die Leopoldstädter Bezirksbewohner wird es ein heißer Wahlherbst: Am 2. Oktober findet die Bundespräsidentschafts-Stichwahl statt und voraussichtlich am 18. September die Wiederholung der Leopoldstädter Bezirksvertretungswahl.
Die Entscheidung für die Wahlwiederholung der Bezirksvertretungswahl, hat der Verfassungsgerichtshof Mitte Juni bekanntgegeben. Die Begründung: Die Differenz zwischen den Wahlkarten und der abgegebenen Stimmen wurde vom Höchstgericht bestätigt. Bei der ersten Auszählung durch die Bezirkswahlbehörde nach der Wahl im Oktober 2015 wurden 82 Stimmzettel weniger als abgegebene Wahlkarten gezählt. Bei der zweiten Zählung der Stadtwahlbehörde waren es 23 Stimmzettel mehr als abgegebene Wahlkarten. Zu diesem Ergebnis kam auch der Verfassungsgerichtshof. Die festgestellten Rechtswidrigkeiten hätten von Einfluss auf das Wahlergebnis sein können, argumentiert der Verfassungsgerichtshof, da die Grünen und die FPÖ nur um 21 Stimmen auseinander lagen.
Als Wahltermin gilt der 18. September als wahrscheinlich, obwohl das Datum von Bürgermeister Häupl noch nicht offiziell bestätigt wurde. Wahlberechtigt sind all jene Bezirksbewohner, dies es auch im Herbst 2015 waren - also insgesamt 71.845 Menschen. Wer damals nicht wahlberechtigt war, ist es auch bei der Wahlwiederholung nicht. Die Kosten für die Wahlwiederholung in der Leopoldstadt beziffert SPÖ-Bezirksvorsteher Hora mit rund einer Million Euro - exklusive Wahlwerbung. Das Ergebnis der Bezirksvertretungswahl im Oktober 2015: Die SPÖ ging mit 38,6 Prozent (- 3,7 Prozent) als stimmenstärkste Partei hervor, gefolgt von den Grünen (22,2 Prozent, +1,4 Prozent), der FPÖ (22,1 Prozent, +1,1 Prozent), der ÖVP (7,1 Prozent, -4 Prozent) und den Neos (5,7 Prozent), die den Einzug ins Bezirksparlament geschafft haben und aktuell drei Mandate halten.
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