Fällt der verpflichtende Wehrdienst, fällt auch der verpflichtende Zivildienst - damit fehlen die "billigen" Arbeitskräfte, die für ein funktionierendes Sozialsystem arbeiten.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der Zwangsdienst junger österreichischer Männer innerhalb der europäischen Friedensunion ist hinfällig geworden. Die Abschaffung der Wehrpflicht ist eine Frage der Zeit, der Trend in Europa ist klar.
Das Ende der Wehrpflicht macht aber ein Dilemma auf, das mit Ehrlichkeit angesprochen und mit Mut gelöst werden muss. 13.000 junge Männer jährlich sind als Zivildiener unentbehrlich geworden, sie bilden gemeinsam mit den NGOs das soziale Rückgrat Österreichs. Ohne Zivildiener gibt es keine Krankentransporte, keine Sicherung von Zebrastreifen vor Schulen und keine Unterstützung bei der Betreuung von pflegebedürftigen Menschen.
Die Frage, wie die Erfüllung des sozialen Auftrages der Träger Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz und anderer nach der Abschaffung der Wehrpflicht gewährleistet werden kann, wird in der aktuellen Debatte nicht beantwortet: 13.000 Zivildiener pro Jahr würden als Arbeitskräfte aus dem Sozialsystem fallen und sind als Vollzeit-Äquivalente von den Organisationen selbst nicht finanzierbar.
Fällt der verpflichtende Wehrdienst, fällt auch der verpflichtende Zivildienst - damit fehlen die "billigen" Arbeitskräfte, die in Pflegeheimen, Rettungsautos und Jugendzentren für ein funktionierendes Sozialsystem mit anpacken. Ein ehrenamtlicher Freiwilligendienst schafft hier keine Abhilfe, kann die Zivildiener nicht ersetzen, wiewohl das freiwillige soziale und das ökologische Jahr endlich auf eine fundierte gesetzliche Basis gestellt werden müssen.
Die Einführung neuer Formen eines generellen Zwangsdienstes für alle jungen Menschen, unabhängig des Geschlechts und der Herkunft, sind indiskutabel. Junge Menschen werden die budgetären Löcher im Sozialsystem nicht mit ihrem physischen Kapital stopfen, wenn sie gleichzeitig die finanziellen Belastungen der Zukunft sowieso zu schultern haben.
Es braucht eine ehrliche Debatte. Zentrale Lösungsansätze sind: Erstens die Garantie einer langfristigen budgetären Absicherung des Sozialsystems statt des von der Regierung geplanten Sozialabbaus. Zweitens müssen Sozialsystem und Katastrophenschutz auf feste zivile Beine gestellt und staatlich finanziert werden. Drittens muss die Umsetzung eines flächendeckenden Volontariats für junge Frauen und Männer mit adäquater Entlohnung und sozialrechtlicher Absicherung gesetzlich verankert werden.
So lange das Sozialsystem von staatlicher Seite nicht abgesichert ist, werden jene, die an der Wehrpflicht festhalten wollen, sich hinter diesem Argument verstecken. So lange die vielen Organisationen von den Zivildienern und deren Unterstützung abhängig sind und die Regierung sich weigert, dieses Rückgrat der sozialen Versorgung auf feste zivile Beine zu stellen, wird die Debatte um die Abschaffung der Wehrpflicht eben eine unehrliche bleiben.
Tanja Windbüchler-Souschill ist Jugend- und Zivildienstsprecherin der Grünen im Parlament.