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Daseinsvorsorge im Visier der EU-Kommission

Von Erich Pramböck

Europaarchiv

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Unter dem Titel der Modernisierung und Effizienzsteigerung sollen nach Ansicht der Europäischen Kommission nach den großen Netzen wie Strom, Gas und Telekommunikation nunmehr auch kleine regionale Versorgungseinheiten der Infrastruktur, wie die Wasserversorgung, aufgebrochen werden. Auch das Europäische Parlament bewegte sich lange Zeit auf der Liberalisierungswelle, jedoch am Daseinsgut "Wasser" zeigte sich bei den letzten Abstimmungen eine gewisse Sensibilität, die mit der der Bürger einhergeht. Dessen Anliegen ist es, kostengünstig, zuverlässig, umweltgerecht und in hoher Qualität mit Wasser versorgt zu werden, und diesem Wunsch ist auch das Europäische Parlament gefolgt, indem es Berichte von Ausschüssen und Anträge, die sich zu weit in Richtung Liberalisierung vorgewagt hatten, nicht die Zustimmung gab. Die Europäische Kommission denkt jedoch noch in "Steinzeit"-Kategorien.

Der Österreichischen Städtebund findet sich nunmehr in seinem wiederholt vorgebrachten Anliegen nach Ausnahme der Daseinsvorsorge vom strengen Regime der Wettbewerbsregeln und vom Zwang zur Marktöffnung bestätigt. Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sind nämlich keine Monopole nur der am Markt teilnehmenden privaten Unternehmen mehr. Auch in den Gemeinden Österreichs haben neue Managementmethoden und die Kostenrechnung Einzug gehalten. Die Leistungen der Daseinsvorsorge, wie sie Städte und Gemeinden im Bereich der Infrastruktur sowie auf dem Sektor der sozialen Hilfe, der Gesundheits- und Krankenfürsorge, der Betreuung von Alten und der Kunst und Kultur erbringen, können nicht dem freien Wettbewerb überlassen werden, wenn nicht durch Liberalisierung und Privatisierung die Gefahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft heraufbeschworen werden soll.

Das "Europäische Sozialmodell" darf nicht gefährder werden, es darf keine Zwangsliberalisierungen geben: Der freie Zugang aller Menschen zu den Leistungen, ohne Diskriminierung und zu den gleichen Bedingungen ist das Wesentliche in einer solidarischen Gesellschaft und typisch für das europäische Sozialmodell. Es soll daher den Einrichtungen, die diese Leistungen zum allgemeinen Wohl ohne Gewinnstreben im lokalen und regionalen Kontext zur Verfügung stellen - und das sind vor allem die Städte und Gemeinden - frei von europäischen Zwängen gestattet sein, ihre demokratisch legitimierten Entscheidungen über Art und Weise der Erbringung zu treffen.

Die seitens der Kommission in Aussicht gestellten Erleichterungen sind weiterhin zu vage und erzeugen keine Rechtssicherheit, insbesondere in einer klaren Grenzziehung zum Wettbewerbs- und Binnenmarktregime. Eine zwangsweise Ausschreibung der Dienstleistungen der Daseinsvorsorge birgt die Gefahr des Aufbrechens von funktionierenden Strukturen, eines Verlustes an öffentlichem Vermögen und insbesondere an demokratischer Mitbestimmung. Die Bundesregierung sollte sich klar gegen die drohende Gefährdung effizienter österreichischer Strukturen aussprechen.

Dkfm. Dr. Erich Pramböck ist Generalsekretär des Österr. Städtebundes.