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"Dass es einer Sau graust"

Von Clemens Neuhold

Analysen

Analyse: Warum über Jahre vor allem Anwälte von drei neuen Casinos profitieren könnten.


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Wien. "Die Bescheide leiden an einer derartigen Fülle von Rechtswidrigkeiten, dass es einer Sau graust." Mit deftigen Worten startet der Rechtsanwalt der Casinos Austria (Casag), Gabriel Lansky, ein juristisches Match der Superlative, das sich im Extremfall bis zu 15 Jahre ziehen kann. Es geht um drei neue Casino-Lizenzen, die das Finanzministerium per Bescheid vergeben hat. Die Casag ging dreimal leer aus und will die historische Niederlage nun juristisch rückgängig machen. Lansky und sein Partner Gerald Ganzger glauben, dass das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Bescheide am Ende "kassieren", sprich aufheben wird. Sie orten Schlampereien bis hin zu "haarsträubenden" Fehlern, die sie veranlassen, politische Interventionen anzudeuten.

Das Finanzministerium hält an seiner Entscheidung fest. Das neu installierte BVwG hat für seinen bisher brisantesten Fall nun sechs Monate Zeit.

Spiel ohne Gewinner?

Gibt das Gericht dem Ministerium recht, können Casag bzw. Lansky beim Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof berufen. "Kassiert" das Gericht den Bescheid hingegen tatsächlich, geht der Bescheid ans Ministerium zurück, und das Spiel geht von vorne los. Sollte dann doch die Casag zum Zuge kommen, stehen die Anwaltsheere der Lizenz-Gewinner Novomatic sowie des Schweizer Stadtcasinos Baden schon bereit. Denn sie werden einen Verlust der zugesprochenen Lizenzen für je ein Casino im Prater und Bruck a. d. Leitha (Novomatic) sowie eines im Palais Schwarzenberg (Stadtcasinos Baden) nicht hinnehmen. Die Schweizer schicken die Kanzlei Specht Böhm ins Rennen gegen Lansky und Ganzger.

So könnte die Kugel theoretisch so lange rollen, wie die Lizenzen gelten: 15 Jahre. Ganzger erinnert daran, dass es im Zuge der Vergabe neuer Radiolizenzen noch nach sieben Jahren zu einer Aufhebung kam. In diesen Jahren der Paragrafenreiterei würden weder Finanzminister oder Steuerzahler von neuen Glücksspielsteuern, noch Spieler von neuen Casinos profitieren - Gewinner wären die Anwälte. Das riecht nach Schildbürger, war aber bei genauerer Betrachtung schwer zu vermeiden. Dafür genügt ein Gedankenexperiment. Hätte die Casag alle Lizenzen erhalten, hätte der Glücksspielriese Novomatic wohl auf Teufel komm raus geklagt. Denn bei der Verlängerung von zwölf bestehenden Lizenzen im Jahr 2012 knackten die Casinos den 12-fach-Jackpot alleine. Weitere drei Lizenzen und ein 15:0 im Casino-Poker hätte Novomatic nicht hingenommen.

Heikle Liberalisierung

Aber warum sollen nicht die Casinos Austria abräumen? Immerhin steht die Casag dem Staat, der das Spiel erlaubt oder nicht, von der Eigentümerstruktur her am nächsten. Aus dem Finanzministerium sitzen zwei Vertreter im Aufsichtsrat. Doch bei der aktuellen Vergabe durfte Österreich nicht mehr freihändig agieren. Denn die EU schreibt eine transparente, nicht diskriminierende Vergabe im europäischen Wirtschaftsraum vor. Um dieser Vorgabe zu entsprechen, ließ das Ministerium einen Glücksspielbeirat nach einem strengen Kriterienkatalog entscheiden - entlang von Spielerschutz bis hin zu Infrastrukturplänen und der Erfahrung in der Branche. Für jede Kategorie und Subkategorie wurden Punkte vergeben. Der Hund liegt in der Gewichtung dieser Kriterien begraben. Dort setzen die Anwälte an. Wären nur einzelne Punkte anders gewichtet worden, argumentieren Lansky und Ganzger, hätten die Casinos zumindest bei zwei Casinos das extrem knappe Rennen gemacht.

So habe die Casag 0 von 6 potenziellen Punkten für die Kategorie "Zusammenarbeit mit Spielerschutzeinrichtungen" bekommen - "bei 30jähriger Erfahrung in diesem Bereich". Allerdings bekamen auch Novomatic und die Schweizer null punkte. Letztere sehen sich ebenfalls führend im Bereich Spielerschutz. Wollte sich das Ministerium aus Angst vor Diskriminierung mit dem Nuller einen internationalen Vergleich ersparen, der schwer möglich ist? Das wäre Faulheit, aber Schiebung? Ganzger verweist außerdem auf die fehlende Baugenehmigung der Casag, die zum Stolperstein für ein Projekt in Wien wurde. Auch dem Palais Schwarzenberg fehle die Genehmigung. Allerdings entgegnen die Betreiber, eine frühere Genehmigung für ein Hotelprojekt im Schwarzenberg sei noch aufrecht.

Wirklich haarsträubend wird es, wenn in einem entscheidenden Passus die Casag wie in Niederösterreich als Gewinner ausgewiesen und später mit einem Hinweis auf einen Schreibfehler durch den Mitbieter ersetzt wird. Hier könnte sich die Suppe noch verdichten.

Eine Klagewelle wäre wohl auch ohne solche administrative Grauslichkeiten gerollt. Denn eine völlig transparente Entscheidung in einem derart politisch dominierten und - wegen Spielsucht und Geldwäsche - heiklen Markt kann auch die EU nicht verordnen. Das dauert - sollte sich die Liberalisierung nicht als Irrweg erweisen - noch länger als ein rot-weiß-roter Bescheid für drei neue Casinos.