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Daten als Werkzeug gegen die Pandemie bleiben noch ungenutzt

Von Martina Madner

Politik

Eine Verknüpfung von Gesundheitsdatenbanken könnte bei der Bewältigung der Corona-Krise helfen. Gesetze dazu gibt es nur zum Teil.


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Gesundheitsdaten sind besonders heikle Daten, die diskret verwaltet werden müssen", betont Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres am Dienstag auf einer Pressekonferenz, noch bevor er sein Anliegen nennt: das Zusammenführen verschiedener Gesundheitsdaten, um diese bei der Pandemiebekämpfung nutzen zu können.

Wenn beispielsweise die Medikationsdaten aus Elga oder von der Sozialversicherung mit den Daten der Gesundheitsbehörden zu Sars-CoV-2-Infektionen und schwer Erkrankten in Spitälern abgeglichen werden, könne man daraus Schlüsse ziehen für die Behandlung: "Im Idealfall finden wir dann Medikamente, die vor schweren Verläufen schützen", sagt Szekeres. "Spitäler können damit das Gesundheitssystem entlasten und Patienten vor Aufenthalten in Intensivstationen oder Schlimmerem geschützt werden."

Auch eine Verknüpfung der Impfdatenbank mit der Infektionsdatenbank wäre laut Szekeres "äußerst hilfreich". Das erleichtere es nicht nur, die Ausbreitung von Mutationen wie etwa der Delta-Variante leichter zu entdecken. Auch lasse sich herausfinden, "in welchen Gegenden neue Mutationen und Resistenzen gegen Impfstoffe, sogenannte Impfdurchbrüche, entstehen, die zu einem Anstieg von Neuinfektionen führen".

Cornelius Granig, Leiter des Bereichs Cyber Security und Krisenmanagment von Grant Thornton Austria, erläutert, dass die Verknüpfung technisch, auch vollständig anonymisiert oder pseudonymisiert, bereits möglich sei. Die gesetzliche Grundlage dazu fehle allerdings noch. "Dabei könnte Österreich Vorreiter werden. Es wäre schade, wenn nur Kriminelle die Daten nutzen können", sagt Granig.

Impfdaten könnten bereits genutzt werden

Karl Stöger, Medizinrechtler an der Uni Wien, erklärt, dass ein Zusammenführen von Infektionsgeschehen und Impfdaten rechtlich bereits möglich sei. "Der Gesundheitsminister erhält beides, sowohl die Daten aus dem elektronischen Impfpass als auch jene von den Gesundheitsbehörden."

"Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister darf für Zwecke der epidemiologischen Überwachung, Qualitätssicherung und zur Erfüllung von sich aus EU-Recht ergebenden Meldeverpflichtungen die Daten im Register in pseudonymisierter Form verarbeiten", ist im Epidemiegesetz verankert.

Ebenso die Möglichkeit des Ministers, "die im zentralen Impfregister gespeicherten Daten über Covid-19-Impfungen" von der Elga GmbH anzufordern. Für das Zusammenführen kann der Minister auch "Dritte als Auftragsverarbeiter heranziehen". Außerdem dürfen die Bezirksverwaltungsbehörde und der Landeshauptmann "für Zwecke der epidemiologischen Überwachung die Daten im Register in pseudonymisierter Form verarbeiten".

Mit einer Pseudonymisierung werden Daten im Unterschied zur Anonymisierung so verschlüsselt, dass die verarbeitende Stelle keinen Zugriff auf den Schlüssel hat. Erkenntnisse aus dem Zusammenführen und Erforschen aber kann der Schlüsselinhaber, in diesem Fall der Minister, wieder in die Patientenbehandlung sowie die Kontrolle des Infektionsgeschehens einfließen lassen.

Granig geht davon aus, dass für das Erforschen solcher Daten Änderungen im Forschungsorganisationsgesetz bei den Gesundheitsdaten notwendig sind, jedenfalls aber eine Verordnung des Ministers als Rechtsgrundlage erforderlich ist.

Für das Erkennen von Zusammenhängen zwischen Medikamenten und schweren Verläufen sind Gesetzesänderungen notwendig.

"Heiliger" Datenschatz der Elga GmbH

"Eine Verknüpfung von Medikationsdaten mit Daten der Gesundheitsbehörden zu Sars-CoV-2-Infektionen oder Covid-19-Erkrankungen ist derzeit nicht möglich", heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Die verknüpften Daten könnten zwar für die Auswertung anonymisiert werden, für eine Verknüpfung sei aber eine Verarbeitung pseudonymer, also personenbezogener Daten nötig, "und hierfür fehlt die rechtliche Grundlage"

"Das Elga Gesetz dazu wurde mit dem Versprechen geschaffen, das diese Daten niemanden etwas angehen", sagt Stöger. Eine Änderung des Gesetzes wäre "ein Systembruch. Man müsste zwischen dem rechtlich Möglichen und der Akzeptanz abwägen." Eine solche Gesetzesänderung könnte Austritte aus Elga zur Folge haben.

Der Vorteil für die Wissenschaft aber wäre, dass über die Elga-Datenbank Medikamentenverordnungen und Behandlungen in Spitälern sichtbar und pseudonymisiert nutzbar wäre. In jener des Dachverbands der österreichischen Sozialversicherungen sind dagegen nur die Abrechnungsdaten von niedergelassenen Ärzten personenbezogen erfasst. Letztere Daten hat die Politik in der Frühphase der Pandemie genutzt, um mögliche Risikogruppen zu informieren, so Stöger. Die Betroffenen wurden dazu aufgefordert, ihren Status bei Ärzten abzuklären. Eine Verknüpfung mit anderen Daten aber wäre ebenfalls rechtlich nicht möglich, heißt es aus dem Ministerium.

Im Falle der Erforschung brauchbarer Medikamente sichert Szekeres "eine anonymisierte oder pseudonymisierte Verknüpfung" der Daten zu. Man solle "datenschutzrechtliche Bedenken nicht als Vorwand nehmen, um den Schutz der Menschen zu verhindern". Auch Granig fordert, dass eine Fundamentalopposition mancher Datenschützer einem pragmatischen Zugang weichen müsse - mit einer " Datenschutzfolgeabschätzung erfolgen, inklusive Risiken und Verhältnismäßigkeit zum Forschungsziel." Szekeres geht davon aus, dass der Nutzen häufig überwiegt: "Damit würden wir den Kampf gegen die Pandemie rascher und effektiver möglich machen."