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Datenschatz Seestadt

Von Iga Mazak

Politik
In der Seestadt Aspern soll der Großteil des Stroms von den Gebäuden selbst produziert werden, "smarte" Messinstrumente sind bereits in die Bausubstanz integriert.
© Mazak

Angelegt als Forschungsprojekt sollen in der Seestadt Aspern Daten über die Bewohner gesammelt werden, um diese für weitere Smart-City-Projekte auf der ganzen Welt zu nutzen.


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Wien. Sparsam soll er sein. Bewusst mit seinen Ressourcen umgehen, dabei den Klimawandel bekämpfen. Energie wird sorgsam eingeteilt, die Heizung per Smartphone erst kurz vor Feierabend aufgedreht - sie stammt aus der hauseigenen Photovoltaik-Anlage. Wasser wird dann aufgeheizt, wenn der Strom am günstigsten ist - mit Energie aus erneuerbaren Ressourcen. So lebt der Stadtmensch in der Smart City der Zukunft. Zumindest wenn es nach den Visionen der Stadtentwickler geht. Am Dienstag wurde bei einer Begehung der künftigen Seestadt Aspern die größte Wiener Smart-City-Initiative unter Anwesenheit der teilhabenden Parteien präsentiert.

Als Projektleiter fungiert die Aspern Smart City Research (ASCR) gemeinsam mit den Partnern Siemens, Wien Energie, Wiener Netz und dem Austrian Institute of Technology (AIT). Neben anderen führten ASCR-Geschäftsführer Reinhard Brehmer, Infrastrukturbeauftragter Bernd Richter sowie Oliver Juli, zuständig für die Förderungen, durch die Baustelle.

Was nach viel Organisationsaufwand klingt, soll in der Wiener Smart-City der Zukunft mittels modernster High-Tech-Lösungen wie von alleine funktionieren. Eines der größten Versuchsprojekte startet mit Frühsommer 2015 in der Seestadt Aspern. Förderer der Initiative ist der Klima- und Energiefonds der Stadt Wien mit insgesamt 3,7 Millionen Euro - das gesamte Projektbudget umfasst knapp 40 Millionen Euro auf fünf Jahre. Geforscht wird nicht nur, wie Energie optimal genutzt und eingesetzt werden kann, sondern auch wie der Großteil des Stroms selbst von den Gebäuden produziert werden soll. Gänzlich unabhängig wird man nicht werden können - die eigens produzierte Energie will man aber bestmöglich nutzen, sagt Reinhard Brehmer.

Technologie in der Bausubstanz

Es ist ein komplexes Zusammenspiel aus Daten, die sie ermöglichen soll: die maximale Energieeffizienz und die Reduzierung der CO2 Werte. Sie gelten als Leitmottos des smarten Stadtforschungsprojekts in Aspern. Die Daten von drei Gebäudekomplexen werden für die Forschung über die Smart Citys einfließen: ein Studentenheim, ein Wohnblock sowie ein Bildungscampus. Noch sind es staubige Baustellen - die Technologie für die smarten Messinstrumente wird aber bereits in die Bausubstanz der Gebäude integriert.

In der Praxis funktioniert dann alles mit High Tech und Internet und einer zentralen Datenstelle. In erster Linie geben intelligente Stromzähler, sogenannte Smart-Meter, Informationen etwa über die Raumluftqualität und die Zimmertemperatur an den zentralen Server weiter. Je nach Raumnutzung werden andere Funktionen für die Smart Meter ermöglicht und individuelle Werte gemessen.

So soll der Bildungscampus in schulfreien Zeiten vor allem Energie produzieren und an die Haushalte weiterleiten. Weiter wird im Bildungscampus besonders auf die Luftqualität Wert gelegt. Ist der Sauerstoffgehalt zu niedrig, wird automatisch nachreguliert - so kann sich fehlender Sauerstoffgehalt in Klassenzimmer gar nicht erst einstellen. Ein häufiges Problem, das zulasten der Konzentration der Kinder geht.

In den Wohnbereichen konzentriert man sich insbesondere auf die Reduzierung der Spitzenlasten. "Diese entstehen vorrangig zu Hauptbelastungszeiten - am frühen Abend, wenn die Bewohner von der Arbeit zurückkehren und zeitgleich die Waschmaschine, den Geschirrspüler und den Fernseher aufdrehen. Oder Sonntagmittag, wenn alle daheim am Herd kochen", erklärt ASCR-Infrastrukturbeauftragter Bernd Richter. Effiziente Technologien könnten abseits der Spitzenzeiten Strom auf Vorrat speichern, so die Netznutzung optimieren und Kosten senken. Strombedarf würde nämlich bisher vor allem anhand der Spitzenlasten berechnet und das sei unrentabel - nicht nur für die Bewohner, sondern auch für die Stromanbieter, so Richter.

Waschmaschine per Handy

Sind die Daten über das Energieverhalten der Bewohner erst einmal gespeichert, kommt der sogenannte Smart User ins Spiel. Er kann über das "Home Automation"-Regelsystem seine Energieeffizienz selber regeln - und das von überall. Sieht der Kunde zum Beispiel auf seinem Smartphone, dass der Strompreis aktuell niedrig ist (beispielsweise weil der Tag besonders sonnig ist und viel Energie über die Photovoltaik gespeichert wird), kann er seine Waschmaschine per Knopfdruck schnell von der Arbeit aus starten. Oder den Akku für das E-Motorrad laden, das besonders viel Strom frisst.

Neben ökologischen Aspekten gibt es schlussendlich eine wichtige Hauptmotivation für die intelligente Nutzung der Energiereserven: die Finanzen. Neben der persönlichen Einsparung soll in Aspern auch erforscht werden, wie Gebäude und ganze Wohngebiete ihren selbst produzierten Strom ins Netz einspeisen und gewinnbringend am Strommarkt verkaufen können. Sollte die Forschung sich so weiterentwickeln wie bis dato - dann werden smarte Gebäude künftig deutlich mehr Energie produzieren als sie verbrauchen. Und auch die Speichertechnologien sollen dahingehend verbessert werden.

Bisher gibt es nur vage Vorstellungen, wie viel Geld durch den innovativen Ressourcenverbrauch gespart und erwirtschaftet werden kann. Die Aspern Smart City soll diese Lücke schließen. Vorausgesetzt, es finden sich genug Bewohner, die an dem Pionierprojekt teilnehmen wollen. "Gezwungen wird nämlich niemand", meint ASCR-Geschäftsführer Brehmer. Die Teilnahme sei freiwillig und locke mit finanziellen Einsparungen. Mit einer schriftlichen Erklärung müssen die Bewohner die Verwendung ihrer Daten ausdrücklich erlauben. Sollte das Projekt wie geplant gelingen, ist es mit seinen gewonnenen Forschungsergebnissen nicht nur für Österreich interessant. Weltweit gelten Smart Citys mit ihren Sparsamkeitsansprüchen als die Städte der Zukunft.