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Datenschutz auf eigene Kosten

Von Alexander U. Mathé

Politik
© WZ

Auf den Wahlkarten sind persönliche Daten plus Unterschrift zu sehen - heikel, aber juristisch in Ordnung, sagen Experten.


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Als Eva Maria Artner ihre Wahlkarte in Wien zugeschickt bekam, traute sie ihren Augen nicht. Denn, was sie da sah, widersprach komplett ihrem Verständnis von Datenschutz. "Ich musste mit Entsetzen feststellen, dass auf der Rückseite des zu retournierenden Kuverts alle meine persönlichen Daten aufgeführt sind und ich auch noch unterschreiben muss", sagt die Werbekauffrau.

Tatsächlich ist es so, dass bei der Briefwahl zum Votum am 11. Oktober der Wahlzettel in ein Kuvert und dieses wiederum in ein weiteres Kuvert gesteckt werden muss. Letzteres ist vorfrankiert und hat auf der Vorderseite die Adresse der zuständigen Wahlbehörde aufgedruckt. Auf der Rückseite jedoch finden sich Name, Adresse und Wahlsprengel des Wählers samt verpflichtend zu leistender Unterschrift - offen sichtbar für jeden, der das Kuvert in die Hände bekommt.

Das Ganze hat - juristisch gesehen - seine Richtigkeit. Wien hält sich bei den Wahlkarten an die geltenden gesetzlichen Vorschriften, die auch auf Bundesebene gelten. Nach demselben Prinzip wurden die Wahlkarten für die letzte Nationalratswahl gestaltet und ausgegeben. Auch in Vorarlberg, wo vergangenes Wochenende gewählt wurde, war es so. Trotzdem ist die Angelegenheit "heikel", erklärt Peter Bußjäger, Verfassungsjurist an der Universität Innsbruck.

Die offen einsehbaren Daten sind für ihn dabei gar nicht so sehr das Problem. "Das würde ich nicht überbewerten, denn alles, was man erfährt, ist, dass eine bestimmte Person an der Wahl teilgenommen hat." Brisanter wird es jedoch beim Thema Unterschrift, denn die könnte von Menschen mit krimineller Energie gegebenenfalls missbräuchlich verwendet werden. "Dieses Risiko ist der Gesetzgeber eingegangen", erklärt Bußjäger. Eine Tatsache, die der Österreichische Datenschutzrat bereits mehrmals beanstandet hat.

Gefahr des Missbrauchs

Lange Zeit waren die Wahlkarten mehr oder weniger genauso gestaltet wie heute. Im Jahr 2009 beanstandete der Datenschutzrat jedoch diese Praxis, eben wegen der offen ersichtlichen Unterschrift und der damit verbundenen Gefahr des Missbrauchs. Daraufhin wurden die Wahlkarten geändert. Die persönlichen Daten auf dem Überkuvert wurden mit einem Klebestreifen verdeckt. Doch dann kam es zu Pannen. Bei der Bundespräsidentenstichwahl im Jahr 2016 klebte der Klebestreifen bei zahlreichen Kuverts nicht. Die Daten wurden sichtbar und das Außenkuvert fiel auseinander. Den Bedenken des Datenschutzrates zum Trotz kehrte man daraufhin zur ursprünglichen Regelung zurück - samt ersichtlicher Unterschrift.

Peter Bußjäger beschwichtigt: "Man kann nicht sagen, dass das gegen das Grundrecht des Datenschutzes verstoßen würde." Zudem seien die Organe der Post zur Verschwiegenheit verpflichtet. "Die dürfen solche Informationen eigentlich nicht weitergeben." Ein Argument, das die Sicherheitsbedenken von Frau Artner nicht wirklich zerstreuen kann: "Ich kenne den Postbeamten ja nicht. Wer weiß, ob der vertrauenswürdig ist?" Mit dem vollen Namen, der vollständigen Adresse, dem Geburtsjahr und der Unterschrift fänden sich leicht unterschiedlichste Möglichkeiten, kriminelle Handlungen zu vollziehen. "Schon einmal etwas von Identitätsdiebstahl gehört?", fragt Artner. "Mit den Daten könnte jemand sogar ein Konto in meinem Namen eröffnen."

Für Wähler, bei denen datenschutzrechtliche Bedenken nicht auszuräumen sind, gibt es die Möglichkeit, das Kuvert in ein Überkuvert zu geben, erklärt Christian Ruzicka von der MA 62 (Wahlen und verschiedene Rechtsangelegenheiten). "Von dieser Möglichkeit machen auch viele Personen Gebrauch", sagt Ruzicka. Das Überkuvert muss dann allerdings selbst besorgt und auch frankiert werden. Doch warum stellt man dann nicht gleich generell so ein zusätzliches Kuvert zur Verfügung?

Überkuvert zu kompliziert

Das würde zusätzliche Kosten bedeuten, gibt Ruzicka zu bedenken. Schwerer wiegt jedoch, dass das zusätzliche Kuvert eine Gefahrenquelle für eine ungültige Stimmabgabe ist. "Es ist an sich schon problematisch genug, den Leuten klarzumachen, dass sie den Stimmzettel nicht nur in die Wahlkarte stecken müssen, sondern, dass sie das Ganze auch noch in ein Kuvert geben müssen", führt Ruzicka aus. "In dem Moment etwa, wo der Stimmzettel daneben liegt, ist die Stimme ungültig." Nun erhalte man ja grundsätzlich schon sehr viele Wahlunterlagen: ein bis zwei Stimmzettel, die Wahlvorschläge, ein Informationsschreiben. "Wenn wir dann noch ein Überkuvert mitgeben und dann einen weiteren Schritt einführen, nämlich: ,Stecken Sie den Stimmzettel in ein Kuvert und das Ganze dann wieder in ein Überkuvert‘, ist das heikel und führt faktisch zu einer viel höheren Fehlerquote." Bei den Problemen, die zusätzlich entstehen und dem außerdem anfallenden Mehraufwand "steht es sich wahrscheinlich nicht dafür", das System zu ändern.

So wird denn auch Eva Maria Artner ein zusätzliches Kuvert und eine Briefmarke besorgen, mit denen sie dann ihr eigentliches Wahlkuvert an die Behörden schicken wird. Die datenschutzrechtlichen Maßnahmen gehen so auf Kosten Dritter, beklagt sie. "Aber was bleibt mir anderes übrig?", fragt Frau Artner. "Meine Daten sind mir heilig."