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Datenschutz? Prinzipiell ja, aber . . .

Von Christa Karas

Wissen

Diagnose und Behandlung können zu Fallen werden. | Auch das Gen-technikgesetz bietet keine Sicherheit. | Wien. Morbus Hodgkin zum Beispiel. Das ist ein bösartiger Tumor des Lymphsystems, der in den sogenannten "besten Jahren" auftreten kann. Diagnose und Therapie erfolgen in strengster Vertraulichkeit zwischen dem Patienten und seinen Ärzten bzw. dem medizinischen Personal - es sei denn, der Betroffene ist privat versichert. Dann darf sich das Versicherungsunternehmen nämlich nicht nur Einblick in die Krankengeschichte verschaffen, sondern dieser muss ihm sogar seitens der Spitalserhalter und deren Vertretern gewährt werden.


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Wie das? - Einmal mehr geht es um das Kleingedruckte, dessen Konsequenzen dem Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht bewusst waren. Jedenfalls hat er mit seiner Unterschrift auch eingewilligt, dem Versicherer jederzeit Zugang selbst zu solch heiklen Daten zu ermöglichen.

Heikel sind diese Daten vor allem deshalb, weil Versicherungen sich gewisser Kunden gerne entledigen und daher akribisch nach entsprechenden Gründen fahnden: Wie lange hat der Betroffene zugewartet, ehe er zum Arzt ging? Wusste er von einer bestehenden Veranlagung oder Grunderkrankung? Hätte er dies wissen müssen oder hat er es gar verschwiegen?

"Das hat schon bisher oft genug ganz fatale Folgen für Patienten gehabt", sagt Prim. Elisabeth Pittermann-Höcker, Hämato-Onkologin am Wiener Hanusch Krankenhaus. Noch gravierender würden diese Folgen aber in Zukunft durch die sich stets weiter entwickelnden Möglichkeiten von genetischer Analyse und somatischer Gentherapie.

Meldepflicht für Krebs

Da gibt es zum Beispiel, was außer den Fachleuten kaum jemand weiß, die Krebs-Meldepflicht, geregelt durch eine seither nur marginal veränderte Verordnung (171. Bundesgesetzblatt Nr. 138/1969) zum Krebsstatistikgesetz. Die zur Meldung Verpflichteten (Ärzte, Spitalsverwaltung) müssen ein Formblatt mit Namen und sämtlichen Daten des Patienten und seiner Erkrankung "jeweils nach Beendigung des Spitalsaufenthaltes... im Fall ambulanter Behandlung nach Klärung der Diagnose, spätestens bis zum 15. des diesem Zeitpunkt folgenden Monats" an die Statistik Austria (vormals Österreichisches Statistisches Zentralamt) senden.

Dieses Meldeblatt mit dem Vermerk "Achtung: Bitte so ausfüllen, dass der Patient keinen Einblick erhält" ist also nicht anonymisiert und liegt, da anders kaum administrierbar, der Krankengeschichte bei, ehe es versendet wird. Wer dazu imstande ist, kommt also an hoch sensible und für Versicherungen interessante Daten. Die betreffen in Pittermann-Höckers Fachgebiet etwa Blutgerinnungsstörungen mit wesentlich erhöhtem Thromboserisiko, Erbkrankheiten wie Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit, eine der häufigsten erblichen Stoffwechselstörungen), Thalassämie (durch einen genetischen Defekt verursachte Form von Blutarmut) sowie vererbbare Formen von Krebs und viele andere mehr.

Die daraus entstehenden Risken für die Privatversicherten sind erheblich: Etwa wenn eine Lebensversicherung, die zur Besicherung eines notwendigen Kredites abgeschlossen wurde, plötzlich storniert wird oder Leistungen aus privaten Krankenversicherungen, Betriebsunterbrechungs-, Reise- und Rückholversicherungen entweder nicht erbracht oder zurück gefordert werden.

Schnüffelei im Privaten

Was Pittermann-Höcker besonders erbost: Dass insbesondere Patienten mit Morbus Hodgkin von den Versicherungen regelrecht ausspioniert werden. Da die Krankheit ein längeres Vorlaufstadium hat und dank moderner, wenn auch belastender und langwieriger Therapien zu wesentlich längeren Überlebenszeiten bzw. sogar meist zur Heilung führt, können (und sollen) die Betroffenen mitunter durchaus etwas Bewegung machen, was von Versicherungen gerne dahingehend ausgelegt wird, "dass jemand, der eine Stunde am Golfplatz war, ja so krank nicht sein kann".

Mit Hinblick darauf findet auch das Gentechnik gesetz nicht den Beifall der vormaligen Wiener SPÖ-Gesundheitsstadträtin. Zwar dürfen laut dessen Paragraph 71 "Daten in nicht anonymisierter Form . . . nur mit ausdrücklicher und schriftlicher Zustimmung der untersuchten Person verwendet werden", doch nach derzeitiger Rechtsauffassung hat eben diese Person ihre Zustimmung bereits mit ihrer Unterschrift unter dem Versicherungsvertrag erteilt - auch wenn dies lange zuvor erfolgt ist sowie das Interesse der Versicherer dadurch zum höherwertigen Recht als die ärztliche Pflicht zur Verschwiegenheit wird.

Der Österreichischen Ärztekammer wie auch dem Gesundheitsministerium, dem Datenschutzrat und den AK-Konsumentenschützern dürfte dies bisher entgangen sein.

Leicht zu umgehen

Skepsis ist freilich auch dort angebracht, wo es in Paragraph 67 des Gentechnikgesetzes streng heißt: "Arbeitgebern und Versicherern einschließlich deren Beauftragten und Mitarbeitern ist es verboten, Ergebnisse von genetischen Analysen von ihren Arbeitnehmern, Arbeitsuchenden oder Versicherungsnehmern oder Versicherungswerbern zu erheben, zu verlangen, anzunehmen oder sonst zu verwerten. Von diesem Verbot sind auch das Verlangen nach Abgabe und die Annahme von Körpersubstanz für genanalytische Zwecke umfasst."

Denn selbstverständlich können Arbeitgeber von Arbeits- und Versicherungen von Versicherungswerbern Gesundheitschecks verlangen und tun das ja auch wie unter vielen anderen die Stadt Wien, die Pragmatisierungen davon abhängig macht. Und wie leicht lassen sich da ganz "nebenbei" Faktoren erheben, die den Bewerber ausschließen, auch wenn er den Grund nie erfährt.