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Datenspeicherung als Streitpunkt

Von Martyna Czarnowska und Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Den Schwerpunkt Terrorbekämpfung hat sich Großbritannien für seine Ratspräsidentschaft schon vor Monaten gesetzt. Doch nach den Anschlägen in London soll die Debatte nun vorangetrieben werden. Morgen, Mittwoch, will der britische Innenminister Charles Clarke seinen Amtskolleginnen und Amtskollegen bei einem Sondertreffen Vorschläge zur Datenaufzeichnung unterbreiten. Demnach sollen Telefongespräche, Textnachrichten und E-Mails mindestens zwölf Monate von den Betreibergesellschaften gespeichert werden.


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An der Frist schieden sich bisher die Geister. Wie lange die sogenannten Vorratsdaten gespeichert werden sollten - darauf konnten sich die EU-Staaten noch nicht einigen. Sechs bis zwölf Monate waren im Gespräch. Für Großbritannien ist dies das Minimum.

Laut der britischen Zeitung "The Guardian" plädiert Innenminister Clarke dafür, alle Telefongespräche, SMS und E-mails bis zu drei Jahre lang zu speichern. Allerdings würden nicht die Inhalte sondern die Verbindungen aufgezeichnet. Dies wäre von großem Nutzen für die Verbrechens- und Terrorbekämpfung.

Der Unterstützung einiger EU-Staaten kann sich Clarke jetzt schon sicher sein. So hatte der deutsche Innenminister Otto Schily mehrmals eine längere Speicherung von Telefondaten gefordert. Die weitere Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze in Deutschland hat er bereits vor mehreren Wochen angekündigt.

In Österreich gibt es bisher keine Pflicht, Telefondaten zu speichern. Die Telefonprovider müssen ihre Aufzeichnungen sogar löschen, wenn sie sie nicht mehr - etwa zu Verrechnungszwecken - brauchen. Ein unter den zuständigen Ministerien ausgehandelter Kompromiss sieht vor, dass sich die Speicherungsdauer der Zugangsdaten höchstens auf sechs Monate beschränken sollte. Die Aufzeichnungen dürften dann nur zur Aufklärung von Straftaten und nicht zur präventiven Analyse verwendet werden. Ein direkter Zugriff der Polizei wäre also nicht vorgesehen.

Während sich Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer gegen die Einschränkung von Bürgerrechten durch Eingriffe in die Privatsphäre ausgesprochen hat, zeigt sich Innenministerin Liese Prokop den Vorschlägen einer längeren Speicherung nicht abgeneigt. "Wenn es der Terror-Bekämpfung und kriminalpolizeilich dient, unterstützen wir den Plan", sagt Sprecher Hannes Rauch gegenüber der "Wiener Zeitung". Dennoch müsse der Datenschutz beachtet werden. Weiters müssten die Vorschläge umsetzbar sein - was von Telekomunternehmen angesichts der Datenmenge bezweifelt wird.

"Eingriff in Grundrechte "

Für Datenschützer bedeutet die geplante Speicherung einen "massiven Eingriff in die Grundrechte". "Mit dem festgeschriebenen Schutz der Anonymität wäre dies nicht vereinbar", argumentiert Hans Zeger, Obmann des Vereins ARGE Daten und Mitglied des Datenschutzrates. Letztlich spielen die Vorschläge Terroristen in die Hände: "Bei Anschlägen werden die Grundrechte westlicher Demokratien über Bord geworfen." Außerdem können Terrorakte durch die Aufzeichnungen kaum verhindert werden, wie es sich auch im videoüberwachten London gezeigt habe.

Dass sie sich in einem "Spannungsfeld" bewege, weiß auch die EU-Kommission. Einerseits seien "ausreichend effiziente Instrumente" zur Überwachung notwendig, erläuterte ein Sprecher von Innenkommissar Franco Frattini. Andererseits müssten die Grundrechte der EU-Bürger gewahrt bleiben. Widerstand gegen die Rufdatenerfassung kommt auch aus den Telekomunternehmen. "Die rechnen uns dann vor, was sie das zusätzlich kostet", sagt ein hoher Kommissionsbeamter.

Unterdessen arbeitet die Brüsseler Behörde an ihren eigenen Schwerpunkten zum Schutz Europas. Mit einer Studie zur Ursachenforschung für die Radikalisierung von potenziellen Attentätern soll die Terrorprävention unterstützt werden. Weiters feilt die Kommission an schnellen Alarmdiensten und einem System zur Rückverfolgbarkeit von Sprengstoffen.