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David Cameron hat keine Zeit zu verlieren

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.

Alles spricht für ein britisches EU-Referendum bereits 2016.


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Großbritannien wird ein Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union abhalten. Wann? Darüber sind sich selbst die konservativen Tories uneins. Es bleibt vorerst bei einem vagen "bis Ende 2017".

Premierminister David Cameron wäre jedoch gut beraten, die für ihn positive Stimmung nach den britischen Parlamentswahlen zu nutzen. Nicht nur die Ukip-Partei muss sich von ihrem Wahlergebnis erst einmal erholen. Auch der austrittsaffine Flügel der Tories würde bei einem frühen EU-Referendum wesentlich weniger Staub aufwirbeln.

Derzeit scheinen selbst diese Abgeordneten eine frühe Abhaltung zu bevorzugen, in der Annahme, Cameron hätte damit weniger Zeit, um "erfolgreich" mit der EU zu verhandeln. Dabei wird der Premierminister auch bis Ende 2017 nicht mehr herausholen können. Eine Vertragsänderung wird es so schnell nicht geben. Diese geht sich zeitlich nicht aus, die Unterstützung aus den anderen EU-Hauptstädten fehlt.

Jene - eher symbolischen - Bereiche, in denen auch ohne EU-Vertragsänderung eine Optimierung möglich ist (etwa die Streichung von Legislativvorschlägen sowie ein konsequenteres Vorgehen gegen etwaigen Sozialtourismus), können auch bis 2016 fixiert werden.

Und von dem Irrglauben, mit immer mehr Ausnahmen für Großbritannien eine effizientere EU gestalten zu können, sollte sich Cameron ohnehin verabschieden. Rosinenpicken in einer Gemeinschaft von 28 Staaten geht auf Dauer nicht. Sollte die britische EU-Mitgliedschaft auf eine Freihandelszone zurückgestutzt werden, würde London massiv an politischem Einfluss verlieren.

Ebenso spricht die Vielzahl an Wahlterminen für ein rasches Referendum. Während die schottischen Parlamentswahlen im Mai 2016 für nationale Ablenkung sorgen könnten, würden die Wahlen in Frankreich und Deutschland 2017 Camerons Verhandlungsoptionen begrenzen. Nicht weniger einschneidend wird die britische EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2017 sein. Ein Nein beim Referendum bei gleichzeitiger Ratspräsidentschaft möchte der Premier vermeiden.

Im Jahr 1975 dauerte es übrigens nur fünf Monate, als die Regierung am 7. Jänner ihr EU-Referendum ankündigte und die Briten bereits am 5. Juni abstimmten. Technisch gesehen wäre dies aufgrund der parlamentarischen Mehrheiten im Oberhaus auch diesmal möglich. Nicht ohne Grund tourt Premier Cameron bereits jetzt durch Europa, unterstützt durch Finanzminister und EU-Hauptverhandler George Osborne.

Das über Großbritannien schwebende Damoklesschwert eines EU-Austritts sollte rasch aus dem Weg geräumt werden. Die Wirtschaft braucht Planungssicherheit und keine spieltheoretischen Exit-Szenarien. Dem geopolitischen Einfluss der pragmatischen Briten würde ein Alleingang ebenso enorm schaden. Es ist höchste Zeit, sich endlich wieder den wirklichen Herausforderungen zu widmen: Wachstum und Beschäftigung, Terrorismus, Migration, Klimawandel - alles Themen, die nicht auf nationaler Ebene zu lösen sind. In London muss man sich eingestehen, dass es nicht ausreicht, lediglich nationale Interessen zu vertreten. Eine konstruktivere Europapolitik wäre dringend nötig.