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David gegen Goliath - ein fataler Irrtum?

Von Ernest G. Pichlbauer

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Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Die Salzburger Kasse will keine Schulden anhäufen. Das ist löblich. | Die Maßnahmen, die sie dazu setzt, bereiten mir Kopfzerbrechen!


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In Salzburg beginnt etwas, das noch weite Kreise ziehen wird. Die Ärztekammer hat sich mit der Krankenkasse auf ein Sparpaket geeinigt. Geht es nach deren Wunsch, dann darf es hinkünftig nur noch das billigste Medikament geben - wer etwas anderes haben möchte, der muss selbst zahlen. So will man die Pharmabranche dazu zwingen, die Preise zu senken.

Dass ein solches Vorgehen wahrscheinlich einigen Gesetzen widerspricht, soll einmal außer Acht gelassen werden. Viel schlimmer könnten die Auswirkungen auf die Medikamentenversorgung sein.

Nun, gerne wird behauptet, die Pharma-Riesen machen ja zweistellige Milliardengewinne, und zwar nach Steuern. Wer so viel verdient, der kann schon auf ein Wenig verzichten. Und wenn damit das Gesundheitssystem - also eigentlich das bei manchen so beliebte Kassensystem - "gerettet" wird, dann kann man schon etwas von den Gewinnen abbeißen.

Aber ist das wirklich so einfach? Die Gewinne werden nicht hierzulande gemacht. Die Umsätze im niedergelassenen Bereich - also dem Bereich der Kassen - betragen ohne Mehrwertsteuer etwas mehr als zwei Milliarden Euro. Wie da Milliardengewinne zu machen wären, ist unbekannt. Im Spitalsbereich wird es noch ein bisschen skurriler, da wird ein Drittel der Medikamente über "Rabatte" verschenkt - und damit die "realen" Verkaufspreise nach unten gedrückt.

Die, die so gerne auf die Gewinne der Pharmaindustrie schielen, sollten sich langsam daran gewöhnen, dass diese nicht in Österreich gemacht werden. Die in Österreich zu erzielenden Preise liegen 18 Prozent unter dem EU-Schnitt, die Gesamtausgaben für Medikamente im Gesundheitssystem liegen 14 Prozent darunter. In Österreich verdient die Branche also nicht wirklich viel.

Mehr noch, die Pharmaindustrie hat sich vertraglich verpflichtet, Teile ihrer Gewinne freiwillig zurückzuzahlen - und zwar in dreistelliger Millionenhöhe für drei Jahre. Warum tut sie das?

Österreich ist Mitglied der Europäischen Union. Preise, die man hier erzielt, sind früher oder später Preise, die auch andere Länder haben wollen. Warum soll sich gerade ein internationales Unternehmen in dem winzigen Markt Österreich die Preise ruinieren? Aber genau das will doch das Salzburger Modell. Kein internationales Unternehmen wird sich auf einen Preiskampf einlassen, und im Ernstfall ein Medikament lieber vom österreichischen Markt nehmen oder es erst gar nicht zulassen. Und wenn die Zahl innovativer Medikamente zurückgeht, dann kann das für die Versorgung nicht gut sein.

Und wie ist das mit den Gewinnspannen? Glauben die Entscheidungsträger in Salzburg ernsthaft, dass sie die Gewinnspannen internationaler Riesen reduzieren können? Wenn durch irgendwelche Maßnahmen die Gewinne weniger werden, dann werden Gegenmaßnahmen gesetzt. Und welcher Art wären diese? Kostenreduktion durch Rückzug aus der Forschung (also weniger Studien, was besonders die Krankenhäuser treffen wird) und der Fortbildung (was besonders jene treffen wird, die die Fortbildung ernst nehmen).

Meiner Meinung nach zeigt die Aktion der Salzburger nur auf, dass der unreflektierte und chaotische Kampf um den Kuchen begonnen hat. Der Glaube, dass die Versäumnisse der Politik in der Gesundheitsreform mit solchen Maßnahmen übertüncht werden können, ist schlicht ein Irrglaube. Wenn jedoch moderne Medikamente später oder gar nicht eingeführt werden, nur weil irgendjemand meint, die Pharmaindustrie macht hierzulande zu hohe Gewinne, dann wird der Patient draufzahlen.